Eilenberger – Feuer der Freiheit

Meine Unterstreichungen:

Sartre war mittlerweile so verzweifelt, dass er jeden Morgen auf dem Boden des Flore herumkroch, um Stummel des Vorabends einzusammeln. (S. 16, Rauchen ist einfach beste.)

Das einzige Sein, dass demnach zählte, war das Sein dieser Welt. Die einzig tragenden Werte waren diesseitige Werte. Ihr einzig wirklich tragender Ursprung der Wille eines freien Subjekts zum Ergreifen seiner Freiheit. Das war es, was es eigentlich hieß, als Mensch zu existieren. (S. 20, nach Heidegger)

Der eigentliche Wert des Kommandos [Frontkrankenschwestern] aber bestünde in dessen Symbolkraft, in dessen spirituellen Wert. Wie jeder Krieg, fährt [Simone Weil] wie beseelt fort, sei auch dieser zunächst ein Krieg der Geisteshaltungen – und damit des propagandistischen Geschicks. (S. 23)

Das bloße Beharren gewisser Dienste der Menschlichkeit inmitten der Schlacht, auf dem Kulminationspunkt der Barbarei, wäre für diese Barbarei, zu der sich der Feind entschieden hat und zu der er auch uns zwingt, eine eklatante Herausforderung. (S. 24, nach Weil)

Wenn wir nur durch Amerikas Gelder und Fabriken befreit werden, fallen wir auf die eine oder andere Weise in eine Form der Knechtschaft zurück, die der heutigen gleicht. (S. 26, Weil)

Tatsächlich scheint Rand in diesem Frühling 1943 politisch nichts verheerender zu sein als die Bereitschaft, das eigene Leben im Namen einer Nation zu opfern. Moralisch nichts fataler als der Wille, zunächst und vor allem den anderen bereitzustehen. (S. 29)

Alle diese Grauen wurden ausschließlich von Menschen möglich gemacht, die jeden Respekt für das einzelne, individuelle menschliche Wesen verloren haben: Menschen, die der Idee anhängen, das Klassen, Rassen und Nationen das sind, was zählt, nicht aber einzelne Personen. (S. 35, Rand)

Denn der Mensch, wie Heidegger ihn in seinem epochalen Werk Sein und Zeit beschrieb, war mitnichten ein vorrangig vernunftbegabtes “Subjekt”, sondern vielmehr ein grundlos in die Welt geworfenes “Da-Sein”. Er lebte als denkendes und vor allem handelndes Wesen auch nicht in einer stummen “Realität”, die er erst mit Sinngehalt zu versehen hatte, sondern in einer “Umwelt”, die für ihn schon immer bedeutungsvoll war. (S. 49)

Für mich ist Deutschland die Muttersprache, die Philosophie und die Dichtung. (S. 52, Arendt)

Für sich selbst zweigt [Simone Weil] exakt die Summe ab, die arbeitslosen Fabrikarbeitern als staatliche Mindestunterstützung zusteht, den Rest verschenkt und spendet sie an bedürftige oder geflüchtete Kameraden. (S. 58)

Überdies beruhe die nach Weil historisch erstmalige Staatsform eines totalen Führerstaats auf einer neuen, technologisch gestützten Form der Unterdrückung, die sich dem ungeheuren Machtzuwachs einer neuen Klasse von überwachenden Funktionären verdanke. Und zwar auf Funktionären, die ihre Macht nicht etwa “um des Glücks der Unterworfenen willen ausüben, sondern zur Vermehrung eben dieser Macht”. (S. 60)

[Weils] Briefe beweisen es, Wer im Frankreich des Jahres 1933 wirklich wissen will, was in der Sowjetunion vor sich geht, kann es wissen. (S. 61)

Der größte Fluch der Menschheit [ist] die Fähigkeit, ganz anders zu leben, als man denkt, und also das Denken ganz aus dem konkreten Leben zu eliminieren. (S. 81, Rand)

…die weitaus gefährlicheren und hoffnungsloseren Fälle, die, ganz auf sich alleingestellt, einen vollkommenen Bruch zwischen ihren tiefsten Überzeugungen und ihrer faktischen Existenz erdulden – und dennoch glauben, Überzeugungen zu besitzen. Diese Menschen halten entweder ihre Ideale oder ihr Leben für wertlos – in der Regel aber beides. (S. 82, Rand)

Wie jedes wahre Urteil würde auch dieses also vor allem die Urteilenden selbst richten. (S. 92)

Der vulgäre Egoismus eines gewieften Massenmanipulators hingegen, der bereit ist, potentiell alles zu tun und zu sagen, um Erfolg, Prominenz oder Macht zu erlangen, ist in Wahrheit innerlich vile zu hohl und ungerichtet, um den Titel eines höchsten Egoisten berechtigt zu beanspruchen. (S. 94, nach Rand)

Alle Religionen machen aus den Menschen ein einfaches Mittel der Vorsehung, auch der Sozialismus stellt die Menschen in den Dienst des historischen Fortschritts, d.h. des Produktionsfortschritts. (S. 115, nach Weil)

Nie war der einzelne dem blinden Kollektiv so uneingeschränkt ausgeliefert, und nie waren die Menschen unfähiger, ihre Aktionen dem Denken zu unterwerfen, ja überhaupt zu denken… als in der gegenwärtigen Form der Zivilisation. … Wir leben in einer Welt, in der nichts menschlichen Maßstäben entspricht. (S. 118, Weil)

Die eingetretene Verstörung war entsprechend. Sie sollte Arendt lebenslang beschäftigen, und zwar vornehmlich in der Rolle einer beharrlich Fragenden, “die nicht weiß, was Menschenrechte eigentlich sind”, und ferner weiß, “dass es auch sonst niemand recht zu wissen scheint.” (S. 129

Ich erinner mich noch sehr gut an meine erste Reaktion auf die Kibbuzim. Ich dachte: eine neue Aristokratie. Ich wusste schon damals … daß man dort nicht leben konnte. ‘Herrsche über deine Nachbarn’, darauf läuft es letzten Endes hinaus. (S. 132, Arendt)

Sein Interesse an Politik besteht darin, nicht an Politik interessiert zu sein. (S. 142, Rand über Roark, die Hauptfigur von The Fountainhead)

Da ihr Held konsequent jede Form von “Speichelleckerei” (boot-licking) ablehnt, schließt Rand ihre erste ausführliche Skizze, wird er “jahrelang niedrigste Jobs annehmen müssen” sowie “jede ökonomische Erniedrigung, die eine Gesellschaft jemandem anzutun vermag”. (S. 144)

Schließlich ist eine romantische Liebe ihrem Wesen nach vor allem eines: manifest ungerecht und moralisch beliebig. Sie pickt ein Individuum aus allen anderen als “Ein und Alles” heraus – und dann noch nicht einmal im Modus der bewussten Wahl. Für Weils tief moralisch fundierte Identität ist das keine lebendige Option. (S. 175f)

Als Land, dem mit Blick auf die anderen sich ebenfalls abzeichnenden Kriege keine größere strategische Bedeutung zukam, diente ihnen Spanien als ein Laboratorium zukünftiger Grausamkeiten. Auch im Kriegswesen lassen sich die Grenzen des Machbaren nur austesten, indem man sie überschreitet. (S. 177, nach Weil)

Offensichtlich ist es leichter zu töten und sogar zu sterben, als sich einige recht einfache Fragen zu stellen, die diese hier: Bilden die Gesetze, die Konventionen, die gegenwärtig das ökonomische Leben regieren, ein System? (S. 180, Weil)

Ein anderes wunderbares Beispiel von blutiger Absurdität ist der Gegensatz zwischen Faschismus und Kommunismus. Die Tatsache, dass dieser Gegensatz für uns eine heutzutage eine doppelte Bedrohung von Bürgerkrieg und Weltkrieg mit sich bringt, ist unter all den Symptomen intellektuellen Versagens, die wir um uns herum feststellen können, vielleicht das gravierendste. Denn untersucht man die Bedeutung, die diese beiden Begriffe heutzutage haben, trifft man auf zwei beinahe identische politische und gesellschaftliche Konzepte. Auf beiden Seiten dieselbe staatliche Vereinnahmung fast alle Formen individuellen und gesellschaftlichen Lebens; dieselbe wahnhafte Militarisierung, dieselbe künstliche, durch zwang erzielte Einstimmigkeit zum Vorteil einer einzigen Partei, die mit dem Staat verschmilzt und sich in dieser Verschmelzung bestimmt; dasselbe Regime der Knechtschaft, das den arbeitenden Massen anstelle eines klassischen Arbeitnehmerstatus aufoktroyiert wird. Keine zwei Nationen sind sich in ihrer Struktur ähnlicher als Deutschland und Russland, die sich gegenseitig mit einem internationalen Kreuzzug drohen und so tun, als hielten sie sich gegenseitig für das Tier der Apokalypse … Es versteht sich, dass unter diesen Bedingungen der Antifaschismus und der Antikommunismus ebenfalls unsinnig sind. (S. 181, Weil)

Unter dem Eindruck der “gewiss uralten Gesänge”, so Weil, habe sie dort zum ersten Mal mit aller Klarheit begriffen, dass “das Christentum in ausgezeichneter Weise eine Religion für Sklaven ist, dass Sklaven gar nicht anders können, als ihr anzugehören – und ich als eine unter ihnen.” (S. 190)

Gemäß einem ebenfalls 1937 erlassenen Sonderdekret können dabei auch Ehepartner sowie Kinder “als Ehefrau eines Volksfeindes” und “Familienmitglied eines Revolutionsfeindes” mitverurteilt werden. (S. 197, in der UdSSR)

Da andere ihnen nicht den Einhalt gebieten, den die Rücksicht auf unsere Mitmenschen verlangt, kommen sie zu dem Schluss, dasds ihnen das Schicksal alle Rechte verlieh und den ihnen Unterlegenen keine. So überschätzen sie ihre Kräfte. Sie müssen sie überschätzen, weil sie ihre Grenzen nicht kennen. Das liefert sie unwiderruflich dem Zufall aus, und sie sind nicht mehr Herr der Lage … Diese mit geometrischer strenge erfolgende Bestrafung für den Missbrauch der Macht war der erste Gegenstand des griechischen Denkens. Sie ist die Seele des Epos … (S. 240, Weil)

Im Zeichen des Zufalls, der alle Dinge mitbedingt, bahnt sich ein totaler Führer so selbst den Weg in den Untergang. […] Mehr als alles andere verlangt [die Gewalt] nach Maß, mehr als jedes andere verleitet sie, gerade im Krieg, zu Maßlosigkeit. (S. 240, nach Weil)

Soweit Rand es begriff, bestand die eigentliche kulturelle Voraussetzung des totalitären Vormarschs in der gezielten und medial flächendeckend betriebenen Verneblung der Urteilskraft jedes einzelnen. (S. 270)

Im Grund ist er (Toohey) steril; er hatte keine großen Leidenschaften für irgendetwas und keine eigenen Interessen – bis auf andere Menschen. Deshalb versucht er auch nicht, Überlegenheit zu erlangen, sondern noch viel besser: den Begriff der Überlegenheit selbst zu zerstören. Er kann nicht selbst aufsteigen. Er kann nur andere herunterziehen. Er kann nicht nach Größtem greifen. Er kann planieren. Gleichheit wird zu seiner größten Leidenschaft. (S. 271, Rand)

Es gab immer solche, die keiner ernst nahm, weder die résistance noch die Gestapo. Viele Leute waren der Ansicht, daß Sartre auch zu denen gehörte.” (S. 283, Beckett)

Unter der Überschrift “Moralische Perspektiven” bekennt Sartre, vor dem Hintergrund seiner Philosophie laufe es moralisch “auf dasselbe hinaus, ob man sich einsam betrinkt oder Völker lenkt. Wenn eine dieser Tätigkeiten die andere übertrifft, so nicht wegen ihres realen Ziels, sondern wegen des Grades an Bewußtheit, das sie von ihrem idealen Ziel her hat.” (S.287f, Sartre)

Alles was ich tue, ist schlecht ohne Ausnahme, einschließlich des Guten, weil ich etwas schlechtes ist. (S. 295, Weil)

Nicht ich soll Gott lieben. Gott soll sich durch mich lieben. (S. 295, Weil)

Pharisäisch ist ein Mensch, der aus dem Gehorsam vor dem großen Tier tugendhaft ist. (S. 296, Weil)

Der große Irrtum der Marxisten und des gesamten 19. Jahrhunderts bestand darin zu glauben, daß man, wenn man nur gerade aus ginge, in die Lüfte stiege. (S. 298, Weil)

Nicht die Religion, die Revolution ist das Opium des Volkes. (S. 298, Weil)

Was es gibt, ist nach Weil der allzu menschliche Wille zur Instrumentalisierung der Verwundbarkeit anderer zu eigenen Zwecken – gerade auch vermeintlich “guten”, “gesellschaftlichen” oder “humanitären” Zwecken. (S. 300f)

Alle Tatsachen zu lieben heißt nichts anderes, als Gott in ihnen zu lesen. (S. 302, Weil)

Man ist in diesem Land [USA] sehr einsam; das haengt vor allem damit zusammen, dass alle Menschen sehr viel zu tun haben und das Bedürfnis nach Musse bei den meisten nach einer gewissen Zeit einfach nicht mehr da ist. Dies bringt staendige Abwesenheit mit sich (absent-mindedness meine ich), die den Kontakt zwischen den Menschen sehr erschwert. (S. 315, Arendt)

Nietzsches Fluch: Wie sollte man die Mehrheit demokratisch davon überzeugen, dass die breite Masse der Bevölkerung zur Idiotie hinneigt? (S. 316, nach Rand)

Wenn die Menschen glauben, andere seien ihre Haupttugend bleiben nur zwei Alternativen: zu tun, was andere glauben (sklavisch), oder anderen den eigenen Glauben zu deren Wohl aufzwingen. (S. 320, Rand)

Simone Weil, ich begreife es nunmehr, ist der einzig große Geist unserer Zeit… Soweit es mich betrifft, wäre ich zufrieden, wenn ich sagen könnte, ich hätte mit den mir zur Verfügung stehenden, bescheidenen Mitteln das Meinige getan, ihr Werk zu verbreiten und zur Kenntnis zu bringen; ein Werk dessen volle Wirkung wir erst noch zu ermessen haben. (S. 363, Camus)


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