Erasmus von Rotterdam – Lob der Torheit

Meine Unterstreichungen:

Wenn ihnen die Kenntnis der fremden Sprachen abgeht, so nehmen sie aus dem oder jenem vermoderten Buch vier oder fünf altertümliche Wörter, um das Publikum damit zu blenden. Wer diese Wörter kennt, freut sich her sein eigenes Wissen; wer sie aber nicht kennt, staunt desto mehr, je weniger er davon versteht. (S. 13)

Der Weise nimmt seine Zuflucht zu den Schriften der Alten und lernt aus ihnen nichts als reine Spitzfindigkeiten, der Tor dagegen erwirbt sich dadurch, dass er alles unternimmt und versucht, wenn ich mich nicht täusche, die wahre Klugheit. (S. 39)

Auf die Ärzte folgen unmittelbar die Rechtsgelehrten. Vielleicht gebührt ihnen auch der erste Platz, denn ihren Beruf – meine eigene Meinung will ich gar nicht äußern – nennen die Philosophen mit auffallender Übereinstimmung lachend – eine Eselswissenschaft. Esel hin, Esel her – sie bleiben doch immer die Leiter und Lenker der größten wie der kleinsten Geschäfte. Diesen Herren wächst reicher Grundbesitz zu, während so ein armer Theologe, hätte er auch sämtliche Geheimfächer des Himmelsschranks durchforscht, seine Bohnen kauen und beständig Krieg gegen Wanzen und Läuse führen muss. (S. 49)

Denkt euch im Gegensatz zu ihnen ein großes Muster der Klugheit, einen Mann, der seine ganze Kindheit und Jugend mit dem Studium der Wissenschaften zugebracht hat! Die schönsten Jahre seines Lebens hat er mit den Sorgen, Plagen und Qualen der Arbeit verbracht und hat dann in späteren Jahren nie das geringste Vergnügen gekostet; denn er ist stets knausrig, arm, traurig, grämlich, sich selbst unerträglich und beschwerlich, anderen aber lästig und verhasst gewesen. So ist er blass, mager, schwächlich, triefäugig und lange vor der Zeit alt und grau geworden, um schließlich vorzeitig zu sterben. Was macht es auch aus, wenn er auf diese Art stirbt; er hat ja doch nie gelebt! Da habt ihr das treffliche Bild eines Weisen. (S. 55)

Das gesamte Christentum ist ja durch eine Unzahl solcher abergläubischen Albernheiten entstellt. Die Priester hegen und pflegen indes dies Unkraut herzlich gern; wissen sie doch recht wohl, welcher Nutzen daraus erwächst. Wenn nun plötzlich einer der verhassten Weisen aufträte und die folgende völlig richtige und begründete Ermahnung an die Menschen richtete: Lebt in christlichem Sinn, und euer Ende wird gesegnet sein! sühnt eure Vergehen, aber spendet nicht nur ein kleines Geldstück, sondern hasst auch wahrhaft das Böse; jammert, wacht, betet, fastet und ändert überhaupt euren ganzen Wandel! Folgt im Leben dem Wandel eures Heiligen, und ihr werdet euch seine Gunst erwerben!” Wenn der Weise dies und anderes der Art predigte, würde er mit einem Mal die Sterblichen aus ihrem Glück in Kummer und Sorge versetzen. (S. 65)

Die Menschen sind schließlich sogar geneigt, an der Falschheit und Lüge mehr Gefallen zu finden als an der Wahrheit. Wenn jemand einen deutlichen Beweis dafür ohne Mühe haben will so mag er in die Versammlungen und Kirchen gehen. Wird hier etwas Ernsthaftes vorgetragen, so schlafen alle, oder sie gähnen, oder es wird ihnen übel, sowie aber der Schreier – o weh! Da hab’ ich mich versprochen, ich wollte sagen: Sowie aber der Redner, was ja oft vorkommt, irgendein albernes Ammenmärchen zu erzählen beginnt, werden alle munter, lauschen gespannt und gaffen hin. (S. 70)

Die Natur spottet jedoch über alle philosophischen Spekulationen. Denn dass unsere Philosophen nicht die geringste sichere Kenntnis besitzen, wird schon dadurch mehr als hinreichend bewiesen, dass über jeden einzelnen Punkt ein unentwirrbarer Streit unter ihnen herrscht. (S. 85)

Nirgends aber bekunden die Philosophen eine größere Verachtung des Volkes als in der Mathematik. Dreiecke, Vierecke, Kreise und ähnliche Figuren mengen sie zu einem wahren Labyrinth durcheinander, ebenso verfahren sie mit den Buchstaben, die sie in Reih und Glied aufstellen und bald in dieser, bald in jener Reihenfolge aufmarschieren lassen. Durch solchen Firlefanz blenden sie die dumme Masse. (S. 85f)

Wie viele Schätze würden die Heiligen Väter einbüßen, wenn sich die Weisheit nur einmal ihres Geistes bemächtigte! (S. 111)

Die Weisheit aber macht nur furchtsam und zaghaft, deshalb seht ihr auch, dass die Weisen sich stets mit Armut, Hunger und Wust herumplagen, dass sie verachtet, ruhmlos und angefeindet leben. Die Toren dagegen haben Überfluss an Geld, sitzen am Steuer des Staates, kurz, sie blühen und gedeihen in allem. (S. 118)

wer die wahren Freuden des Lebens kosten will, muss zunächst jeden Verkehr mit Weisen abbrechen und sich lieber mit jedwedem anderen Geschöpf einlassen. (ebd.)

Zunächst wird doch wohl niemand das bekannte Sprichwort in Zweifel ziehen: „Wo die Sache fehlt, ist der Schein das Beste:” Deshalb bringt man mit Recht schon den Kindern den Vers bei: „Torheit heucheln zu richtiger Zeit ist Krone der Weisheit.” (S. 119)

Aus demselben Grund warnt der groBe Erbauer des Weltalls das erste Menschenpaar eindringlich, von dem Baum der Erkenntnis zu kosten, als sei die Erkenntnis Gift Für die Glückseligkeit- Ja Paulus verwirft diese Erkenntnis offen als Keim des Hochmuts und der Verderbnis. Nach seinem Beispiel, glaube ich, deutet der heilige Bernhard den Berg, auf dem Luzifer seine Residenz aufgeschlagen hat, als den „Berg des Wissens“. (S. 133f)