Seneca – Briefe an Lucilius

Meine Unterstreichungen:

ein großer Teil des Lebens entgleitet den Menschen, wenn sie Schlechtes tun, der größte, wenn sie nichts tun, das ganze Leben, wenn sie Nebensächliches tun.

S. 5

Alles, Lucilius, gehört den anderen, nur die Zeit ist unser;

S. 5

nicht wer wenig hat, sondern wer mehr haben will, ist arm.

S. 7

Niemandem kann ein sorgloses Leben zuteilwerden, der über dessen Verlängerung zu viel nachdenkt

S. 11

Die meisten taumeln zwischen Todesangst und Lebensqualen elend hin und her und wollen nicht leben, wissen nicht zu sterben.

S. 11

jeder Sklave hat die freie Entscheidung über Dein Leben und Deinen Tod.

S. 11

Leicht zu beschaffen ist, was die Natur verlangt, und naheliegend. Für Überflüssiges schwitzt man.

S. 12

Wer sich mit der Armut gut verträgt ist reich.

S. 12

Ein Merkmal zaghafter Sinnesart ist es, Reichtum nicht ertragen zu können.

S. 14

“Aufhören wirst Du”, sagt [Hekaton], “zu fürchten, wenn Du aufhörst zu hoffen.”

S. 14

niemand ist nur wegen der Gegenwart unglücklich.

S. 15

Es gibt niemanden, der nicht irgendein Laste empfiehlt oder aufdrückt oder ohne unser Wissen anhängt.

S. 17

“genug sind mir wenige, genug ist einer, genug ist keiner”

S. 20

Viele Loben Dich: Hast Du etwa einen Grund, Dir zu gefallen, wenn Du so einer bist, den viele begreifen?

S. 20

bedenkt, dass nichts außer dem Geist bewundernswert ist; und einem Geist, der selber groß ist, ist nichts groß.

S. 22

der Weise sei bedürfnislos und dennoch benötige er viele Dinge: “Der Tor dagegen benötigt nichts, denn er versteht nichts zu gebrauchen, es mangelt ihm jedoch an allem”.

S. 27, Chrysipp

Mangel leiden ist nämlich ein Zeichen der Zwangslage, der Weise jedoch kennt keinen Zwang.

S. 27

Die schandbarsten Wünsche flüstern sie den Göttern ein. Wenn aber jemand sein Ohr nahe bringt, werden sie verstummen, und was sie keinem Menschen zur Kenntnis bringen wollen, erzählen sie einem Gott. […] Lebe mit den Menschen so, als ob es ein Gott sähe, sprich mit Gott so, als ob es die Menschen hörten!

S. 31

»Irgendeinen vortrefflichen Menschen müssen wir verehren und uns immer vor Augen halten, um so gleichsam unter seinen Blicken zu leben und alles gleichsam unter seiner Aufsicht zu tun.«

S. 33, Epikur

Ein Großteil der Verfehlungen wird beseitigt, wenn denen, die sie begehen wollen, ein Zeuge zur Seite steht.

S. 33

Schlimm ist es, in einer Zwangslage zu leben, doch in einer Zwangslage zu leben, dafür gibt es keinen Zwang.

S. 37

Ein Sklave vieler wird sei, wer ein Sklave seines Körpers ist.

S. 43

Einen Nackten lässt der Straßenräuber ungeschoren vorbei.

S. 45

Ein Despot wird ausgewählt; was liegt dir schon daran, wer siegt? Es kann der Bessere siegen – doch es muss unbedingt der Schlechtere sein, der gesiegt haben wird.

S. 46

Es fällt der Räuber keinen Schuldspruch, wenn er mordet.

S. 47

Wer des Reichtums bedarf fürchtet für ihn; niemand jedoch kann sich eines Gutes freuen, das Sorgen macht. Er ist bestrebt, den Reichtum zu mehren; während er über den Zuwachs nachdenkt, vergisst er die Nutzung. Rechnungen lässt er sich geben, läuft tagaus, tagein aufs Forum, blättert im Schuldbuch: aus einem Besitzer wird er zum Verwalter.

S. 48

»Für viele bedeutete der Erwerb des Reichtums nicht das Ende ihrer Leiden, sondern (nur) eine Änderung.«

S. 57, Epikur

Der Sol- dat führt mitten im Frieden Manöver durch, fernab von jedem Feind verschanzt er sich und wird von überflüssigen Strapazen müde, um den notwendigen gewachsen zu sein;

S. 59

Freilich: Wasser, Graupen oder ein Bissen Gerstenbrot sind keine angenehme Sache, hingegen ist es höchster Genuss, auch darin einen Genuss finden zu können und sich darauf beschränkt zu haben

S. 60

Die Höhe selbst setzt die Gipfel Donnerschlägen aus.

S. 64, Maecenas

Kleine Schulden machen einem zum Schuldner, große zum Feind.

S. 65

Was ist Weisheit? Immer dasselbe wollen und dasselbe nicht wollen.

S. 67

»Willst Du«, sagt [Epikur], »Pythokles bereichern, so sind nicht seine Gelder zu vermehren, sondern seine Begehrlichkeit einzuschränken.«

S. 71

Nur wenige hält die Knechtschaft gefangen, die Mehrzahl hält an der Knechtschaft fest.

S. 76

Wenn Du jedoch deswegen Ausflüchte machst, um danach zu sehen, wie viel Du mit Dir schleppen und mit wie viel Geld Du Dir Dein ruhiges Privatleben einrichten sollst, wirst Du niemals einen Ausweg finden: niemand rettet sich schwimmend mit seinem Gepäck.

S. 77

Nicht kämpfte ich bisher für meine, sondern für meines Vaterlands Freiheit, und das Ziel meiner so beharr- lichen Tätigkeit war nicht, frei, sondern unter Freien zu leben. Nun aber, da ja die Lage des Menschengeschlechts aussichtslos geworden Ist, soll Cato in Sicherheit gebracht werden!«

S. 83

»Lächerlich ist es, aus Lebensüberdruss in den Tod zu rennen, da Du es ja mit Deiner Lebensführung so weit gebracht hast, dass Du in den Tod rennen musst.«

S. 88

Nicht liebe ich ihn, wenn ich ihm nicht weh tue. »Was nun?« wendest Du ein, weinen Vierzigjährigen gedenkst Du als Mündel unter Deiner Vormundschaft zu halten? Nimm Rücksicht auf sein schon verhärtetes und nicht mehr bildungsfähiges Alter: es kann nicht mehr umgestaltet werden; nur zarte Wesen lassen sich formen.« Ob ich etwas ausrichten werde, weiß ich nicht; lieber lasse ich es an Erfolg als an Pflichttreue fehlen.

S. 89

Brot und Wasser verlangt die Natur. Dafür ist niemand zu arm.

S. 90

Wer gelernt hat zu sterben, hat verlernt Sklave zu sein; er steht über jeder, zumindest aber außerhalb jeder Gewalt.

S. 93

Die sittliche Vollkommenheit allein bietet fortwährende, sorglose Freude.

S. 94

Eine gute Sinnesart kann man sich weder ausleihen noch kaufen; und ich glaube, wenn sie käuflich wäre, fände sie keinen Käufer; eine schlechte hingegen wird täglich gekauft.

S. 96

Sokrates: “Was wunderst du dich, dass dir die Auslandsreisen nichts nützen, da du doch dich selbst mit herumschleppst? Es be- drückt dich der gleiche Grund, der dich hinausgetrieben hat.”

S. 96f

Der Weise wird dies ertragen, es sich jedoch nicht aussuchen, und wird lieber im Frieden leben als im Kampf; es hat nicht viel Sinn, seine eigenen Fehler loszuwerden, wenn man sich mit fremden herumschlagen muss.

S. 98

»Der Anfang der Genesung ist Einsicht in die eigene Unzulänglichkeit«.

S. 98, Epikur

Du musst Dir selbst auf die Schliche kommen, bevor Du Dich läutern kannst.

S. 98

man soll die Wahrheit nämlich nur dem, der sie hören will, sagen.

S. 99

nur auf gemeine Weise kann man die Zuneigung gemeiner Leute gewinnen.

S. 102

Wer könnte isch darüber beklagen, in der Lage zu sein, in welcher sich ein jeder befindet?

S. 105

Und wenn Du glücklich sein willst, bete zu den Göttern, dass nichts von dem, was man Dir wünscht, in Erfüllung gehe.

S. 108

und überhaupt ist es für einen Mann, der schon auf eine glänzende Karriere zurückblickt, beschämend, die Götter nach wie vor mit Bitten zu behelligen.

S. 109

Was bedeutet nämlich römischer Ritter oder Freigelassener oder Sklave? Nichts als Namen, aus Machtgier oder Unrecht geboren.

S. 111

Viel aber schadet auch einer, der uns aufhält, jedenfalls bei dieser Kürze des Lebens.

S. 112

»Zeichen der Armut ist es, zu zählen sein Vieh!« (Ovid, Met. 13,823)

S. 114

Für einen Mann [hingegen], der einen gewissen Fortschritt gemacht hat, ist es beschämend, nach Floskeln zu haschen und sich auf wohlbekannte und ganz wenige Sprüche zu stützen und auf das Gedächtnis angewiesen zu sein; auf sich selbst soll er sich nun verlassen!

S. 115

“Gebahnt wird der Weg mit Gewalt” [fit via vi] (Verg. Aen. 2,494)

S. 123

Keinen kannst Du mir nennen, der wüsste, wie er das, was er will, anfänglich überhaupt gewollt hat.

S. 122

Nicht machen goldenen Zügel ein Pferd besser.

S. 132

»Doch er hat von den Schlechten eine schlechte Meinung.« Das tun auch die Schlechten, und es gibt keine größere Strafe für die Niedertracht, als dass sie sich und ihresgleichen missfällt. »Doch er verabscheut diejenigen, die ihrw unvermutet erworbene große Macht hemmungslos missbrauchen.« Dasselbe wird er tun, sobald er die gleiche Machtposition einnimmt. Weil sie unbedeutend sind, bleiben die Laster vieler verborgen;

S. 134

Daraus mag wohl unser Stumpfsinn ersichtlich werden, dass nämlich nach unserer Meinung nur das gekauft wird, wofür wir Geld zahlen, und dass Wir jenes als kostenlos bezeichnen, wofür wir uns selbst verausgaben.

S. 135

So leben wir, dass ertappt zu werden das Gleiche heißt wie unvermutet erblickt zu werden.

S. 137

Was sollen mir Deine Unterscheidungen sinnverwandter Wörter, von denen nie jemand, außer während eines Disputes, hereingelegt worden ist?

S. 141

Sooft es Dir in den Sinn kommt, wie viel Du Dir gegen Deinen Sklaven erlauben darfst, be- sinne Dich auch darauf, dass Deinem Herrn gegen Dich ebensoviel erlaubt ist.

S. 147

Keine Sklaverei ist beschämender als die freiwillige.

S. 149

Für den anderen sollst Du leben, wenn Du für Dich leben willst.

S. 150

Nicht von außen kommt unser Übel: in uns ist es, tief in den Eingeweiden sitzt es, und deshalb gelangen wir nur schwer zur Genesung, weil wir nicht wissen, dass wir krank sind.

S. 158f

Einen Traum erzählen kann nur einer, der wach ist, und seine Fehler einzugestehen ist Zeichen seelischer Gesundung.

S. 171

dem Weisen bietet seine Lebenszeit Raum für so viel wie einem Gott die Ewigkeit.

S. 172

Sieh, es ist eine große Sache, die Schwäche eines Menschen und zugleich die Unbesorgtheit eines Gottes zu besitzen.

S. 172

Nichts tut der Weise gegen seinen Willen; er entgeht der Notwendigkeit, weil er will, wozu sie ihn [sonst] gleich zwingen wird.

S. 175

Nichts ist länger als dieser Kerker, nichts trüber als diese Fackeln, die uns nicht durch die Dunkelheit, sondern nur die Dunkelheit selbst sehen lassen.

S. 183

Alles, was wir sehen oder berühren, zählt Platon nicht zu dem, was nach seiner Ansicht im eigentlichen Sinn ist; es fließt nämlich und befindet sich in beständiger Verkleinerung und Vergrößerung.

S. 191

deshalb bin ich verwundert über unseren Wahnsinn, dass wir so sehr die flüchtigste Sache lieben, den Körper, und fürchten, dass wir einmal sterben, während doch jeder Augenblick der Tod des vorigen Zustands ist: Du darfst keinesfalls fürchten, dass ein einziges Mal geschieht, was täglich geschieht.

S. 192

es ist angenehm, so lange wie möglich mit sich zusammenzusein, sobald man sich würdig gemacht hat, den Umgang mit sich selbst zu genießen.

S. 194

es kommt nämlich sehr viel darauf an, ob jemand sein Leben verlängert oder den Tod

S. 195

doch wir wollen sagen: “Ihr sagt zwar, ich sei klug, ich aber sehe, wie viel Unnützes ich dringend begehre.”

S. 200

denn wie wir die letzte Nacht unter trügerischen Freuden verbracht haben, weißt Du. (Verg: Aen. 6,513f.) (S 201)

Wer Befehle bereitwillig annimmt, entkommt dem bittersten Teil der Knechtschaft, nämlich zu tun, was er nicht will;

S. 203

der kürzeste Weg zu Reichtum führt über die Verachtung des Reichtums. Unser Demetrios aber lebt so, nicht als ob er alles verachtet habe, sondern als ob er es anderen als Besitz überlassen habe.

S. 205

niemand ist für sich selbst traurig.

S. 206

Es kann nicht sittlich gut sein, was nicht frei ist; denn was sich fürchtet, ist untertan.

S. 224

Jedes sittlich Gute ist nicht befohlen und nicht erzwungen.

S. 224

niemand liebt nämlich sein Vaterland, weil es groß ist, sondern weil es sein eigenes ist.

S. 227

»Was ist also Vernunft?« Nachahmung der Natur. »Was ist das höchste Gut des Menschen?« Sich nach dem Willen der Natur zu verhalten.

S. 230

An dieser Stelle fällt mir unser Demetrius ein, der ein sorgloses Leben ohne jegliches Anstürmen des Schicksals ein totes Meer nennt. Nichts zu haben, wofür Du Dich begeistern, wozu Du Dich antreiben, unter dessen Drohung und Ansturm Du die Festigkeit Deiner Gesinnung erproben kannst, sondern in unerschütterter Muße dazuliegen, ist keine echte Ruhe: es ist nur Flaute.

S. 238

Diese Gewohnheit hat das Volk, haben gerade die Ungebildetsten; sie wünschen in Verborgenes einzudringen.

S. 240

Dies ist das einzige, weswegen wir uns über das Leben nicht beklagen können: es hält niemanden fest. Gut steht es mit den menschlichen Angelegenheiten, weil niemand außer durch eigene Schuld elend ist Es gefällt Dir? Lebe? Es gefalle Dir nicht? Du darfst dorthin zurückkehren, woher Du gekommen bist.

S. 249

Deshalb begehen wir Fehler, weil wir alle über Teilbereiche des Lebens nachdenken, über das ganze aber niemand nachdenkt.

S. 253

Wenn man nicht weiß, welchen Hafen man ansteuern soll, ist kein Wind der richtige.

S. 253

Wenn Du ein glücklicher, wenn Du ernstlich ein guter Mensch sein willst, störe Dich nicht daran, dass einer Dich verachtet.

S. 254, Sokrates

Nicht diese Dinge sind schwierig von Natur aus, sondern wir sind schlaff und kraftlos;

S. 259

Es ist nicht verwunderlich, in Ruhe nicht erschüttert zu werden: bewundere es, wenn jemand sich dort emporrichtet, wo alle niedergedrückt werden, wenn er dort steht, wo alle am Boden liegen.

S. 259

Kein Zeitpunkt ist ja zu wenig passend für nutzbringende geistige Tätigkeit; aber doch widmen sich viele nicht einer geistigen Tätigkeit (gerade) unter den Umständen, derentwegen man sich ihr widmen muss.

S. 265

Aber jener aufrichtige und ehrliche Mann, der die Kurie, das Forum und jede (Mitwirkung bei der Verwaltung des Staates hinter sich lässt, um sich zu Wichtigerem zurückzuziehen, liebt die, durch deren Tätigkeit er dies in Sicherheit tun kann; er allein legt für sie ohne Gegenleistung Zeugnis ab und verdankt ihnen etwas Großes, ohne dass sie es wissen.

S. 267

es werden Leute begegnen, die im Reichtum mittellos sind, was die schwerwiegendste Art von Bedürftigkeit ist.

S. 272

Nicht erfreuen sollen unsere Worte, sondern nützen.

S. 282

Denn es genügt nicht, es wie sonst ins Gedächtnis eingeprägt zu haben: man muss es in die Tat umsetzen; glücklich ist nicht der, der es weiß, sondern der, der es ausführt.

S. 282

Alles muss man für das sittlich Gute erdulden; das müsste man nicht tun, wenn es irgendein anderes Gut gäbe als das sittlich Gute.

S. 293

Der Weise weiß, dass ihm noch alles bevorsteht; was auch immer geschehen ist, er sagt: »Ich wusste es.«

S. 296

Oft muss man jedoch entschlossen aufhören und nicht (nur) aus besonders wichtigen Gründen: denn auch die sind nicht besonders wichtig, die uns (im Leben) festhalten.

S. 297

denn das Leben ist, wenn die sittliche Kraft zu sterben fehlt, Sklaverei.

S. 301

Du fürchtest Dich zu sterben Lebst Du denn jetzt?

S. 302

Wie bei einem Theaterstück, so ist es im Leben: nicht wie lang, sondern wie gut es aufgeführt worden ist, ist wichtig.

S. 302

leicht ist der Schmerz, wenn ihm Einbildung nichts hinzufügt.

S. 306

was nützt es, vergangene Schmerzen wieder aufleben zu lassen und elend zu sein, weil man es gewesen ist?

S. 306

Vielleicht wird es eins Freude machen, sich sogar daran zu erinnern. (Verg. Aen. 1,203)

S. 309

Sind wir dazu kräftig, Leichtes zu tragen?

S. 307

Poseidonios sagt, “ein Tag unter gebildeten Menschen dehnt sich länger aus als für Unwissende das längste Leben.”

S. 310f

Die Bosheit trinkt selbst den größten Teil ihres eigenen Giftes.

S. 326, Attalus

So soll es mit unserem Geist sein: viele Wissensgebiete sollen in ihm sein, viele Lebensregeln, aus vielen Zeiten Vorbilder, aber zu einer Einheit harmonisch verschmolzen.

S. 350

Wie kann ich stark genug sein, das einzugrenzen was zu verhindern ich nicht stark genug gewesen bin, obwohl es leichter ist, etwas auszuschließen als Eingelassenes zu unterdrücken?

S. 355

die Freiheit geht zugrunde, wenn wir nicht das erachten, was uns ein Joch auferlegt.

S. 359

Reichtum sei die Ursache von Übeln, nicht weil er selbst etwas Derartiges bewirkt, sondern weil er die (zum Schlechten) reizt, die es bewirken wollen.

S. 377

Mehr wissen zu wollen, als ausreichend ist, ist eine Art von Unmäßigkeit.

S. 391

Protagoraas sagt, man könne bei jeder Sache das Für und Wider gleichberechtigt erörtern und außerdem gerade den Punkt, ob bei jeder Sache das Für und Wider erörternswert ist.

S. 393

Ein Strohdach schütze freie Menschen, unter Marmor und Gold wohnt Knechtschaft.

S. 406

Über nichts davon darf man ungehalten sein: wir sind in eine Welt eingetreten, in der man nach diesen Gesetzen lebt. Gefällt es Dir, dann gehorche! Gefällt es Dir nicht, dann geh Deiner Wege, wie immer Du willst!

S. 423

Nicht kümmert mich die Gruft: die Natur begräbt die Verlassnen.

S. 436, Maecenas

Viele fand ich gerecht gegen die Menschen, gegen die Götter niemanden.

S. 437

Meinst Du etwa, jemand sei so unsinnig lebensgierig, dass er lieber im Auskleideraum (hinterher) abgeschlachtet werden möchte als in der Arena?

S. 440

Denn nichts werden die Weisungen nutzen, solange ein Irrtum den Verstand trübt.

S. 442

Weisungen einem Wissenden zu geben, ist überflüssig, einem Unwissenden zu wenig; er muss nämlich bloß hören, was ihm vorgeschrieben wird, sondern auch warum.

S. 444

Alle Einzelfälle können wir nicht umfassend darlegen: und doch verlangt jeder für sich einen individuellen Rat.

S. 445

“Was nützt es”, fährt er fort, “auf Offensichtliches hinzuweisen?” Sehr viel; manchmal nämlich wissen wir etwas, doch wir achten nicht darauf.

S. 448

Wer zog schon ein Purpurgewand an, ohne es jemandem zeigen zu wollen?

S. 461

Das Privileg ihres Geschlechtes haben sie verwirkt, und weil sie ihre Weiblichkeit abgelegt hatten, wurden sie zu Männerkrankheiten verdammt.

S. 469

Nichts wird es folglich nützen, Weisungen zu geben, wenn man zuvor nicht die eventuellen Widerstände dagegen beseitigt hat.

S. 475

Sie hat festgelegt, was recht und billig ist; gemäß ihrem Grundsatz ist es ein größeres Unglück, Schaden zuzufügen, als zu erleiden.

S. 479

in allen Künsten schämen sich die Künstler ihrer Fehler und kritisieren den, der irrt, in der Lebenskunst bereiten Fehler Freude.

S. 491

Möglich ist es einem Übeltäter, verborgen zu bleiben, nicht möglich ist das sichere Vertrauen darauf.

S. 492, Epikur

Jeder, der den Tod irgendeines Menschen beklagt hat, klagt darüber, dass er ein Mensch gewesen sei.

S. 501

Wenn Du vor Deinem Bedrängnis fliehen willst, dann musst Du nicht anderswo, sondern ein anderer sein.

S. 529

Vieles, was in der Nacht als schrecklich gilt, macht der Tag lächerlich.

S. 534

Es ist nicht möglich, dass Freiheit nichts kostet. Wenn Du diese hochschätzt, dann muss Du alles (andere) geringachten.

S. 537

Jeder hat genügend Mittel zu schaden. Bedenke ferner, dass in Furch ist, wer gefürchtet wird! Niemand kann furchterregend und dabei sicher sein.

S. 538

Der hat eine hohe Gesinnung, der sich ihm ergeben hat, kleinlich dagegen und sich selbst untreu ist, wer widerstrebt, über die Ordnung der Welt schlecht denkt und lieber die Götter bessern will als sich.

S. 546

Es fehlt der Not vieles, der Habgier alles. Zu keinem ist der Habgierige gut, zu sich selbst am schlechtesten.

S. 548

Aber ein schwerer Fehler wird durch das Verschulden vom Lehrern gemacht, die uns beibringen zu diskutieren nicht zu leben: ein schwerer durch das Verschulden der Lernenden, die an Ihre Lehrer die Zielsetzung herantragen, nicht die Seele, sondern den Verstand zu bilden: So wurde Pflege des Wortes (Philologie), was Pflege der Weisheit (Philosophie) war. Es ist aber ganz wichtig, mit welcher Zielsetzung Du in die jeweilige Sache herangehst. Wer als angehender Grammatiker über Vergil forscht, liest jenen herausragenden Vers „Aber es flieht die Zeit unwiederbringlich dahin” (Verg. Georg: 3,284) nicht aus dem Verständnis: »Sei auf der Hut! Beeilen wir uns nicht, so werden wir zurückbleiben. Es jagt uns der hastende Tag, und er wird selbst gejagt. Besinnungslos werden wir fortgerissen. Alles planen wir für die Zukunft, aber bei sich überstürzenden Ereignissen lassen wir es ruhig angehen«, sondern damit er beobachtet, dass Vergil, sooft er über die schnell vergehende Zeit spricht, dieses Wort gebraucht: »Sie entflieht.«

S. 553

Auf derselben Weide sucht das Rind Gras, der Hund den Hasen und der Storch die Eidechse.

S. 555

Die Herrschaft über sich selbst ist die höchste Form der Herrschaft.

S. 580

Es gibt keinen Grund für Dich, darauf zu sehen, welchen Lohn gerechtes Handeln erntet. Der größere Lohn liegt darin, gerecht zu sein.

S. 580

Redestil ist die Haltung des Geistes. Wenn er zurechtgestutzt, herausgeputzt und gekünstelt ist, dann beweiset er, dass auch der Geist nicht unverdorben ist und dass er irgendeinen Schaden hat.

S. 591

Wenn doch diejenigen, die ihre Wünsche auf Reichtum richten, sich mit den Reichen berieten! […] Sicherlich hätten sie ihre Wünsche geändert!

S. 596

Kein Laster bleibt ohne Rechtfertigung, keinem fehlt ein ehrenwerter und entschuldbarer Anfang, aber von diesem aus verbreitet es sich weiter. Du wirst nicht erreichen, dass es endet, wenn Du ihm zugestanden hast zu beginnen.

S. 597

Wir verteidigen unsere Laster, weil wir sie lieben, und ziehen es vor, sie zu entschuldigen, anstatt uns ihrer zu entledigen.

S. 599

Um den fehlenden guten Willen get es, mit Unfähigkeit redet man sich heraus.

S. 599

Ziehst Du es vor, viel zu haben oder genug?

S. 617

Darüber konnte uns die Natur nicht belehren: Sie hat uns die Samen des Wissens gegeben, das Wissen hat sie nicht gegeben.

S. 621

“Wie auch immer dies sein mag”, sprach er, “es ist meine Sache, unangenehm ist es, hart ist es, gerade darin wollen wir uns bewähren.”

S. 625

Das deutlichste Merkmal eines minderwertigen Charakters ist der Wankelmut und ein ewiges Hin und her zwischen geheuchelten Tugenden und der Neigung zum Laster.

S. 627

Was liegt schon daran, wie viel du besitzt? Es gibt noch viel mehr, was du nicht besitzt.

S. 656