Popper – Die offene Gesellschaft und ihre Feinde Band I
Meine Unterstreichungen:
»Gott bewahre uns vor unseren Freunden … es gibt nämlich … auch bisweilen betrügerische, hinterlistige, auf unser Verderben sinnende und dabei doch die Sprache des Wohlwollens führende … sogenannte Freunde, vor denen und ihren ausgelegten Schlingen man nicht genug auf der Hut sein kann.«
»Der Verstand schöpft seine Gesetze … nicht aus der Natur, sondern schreibt sie dieser vor.«
Er [Kant], daß wir dem Gebote einer Autoritär niemals blind gehorchen dürfen, ja, daß wir uns nicht einmal einer übermenschlichen Autorität als einem moralischen Gesetzgeber blind unterwerfen sollen. Wenn wir dem Befehl einer Autorität gegen-überstehen, sind es doch immer nur wir, die auf unsere eigene Verantwortung hin entscheiden, ob dieser Befehl moralisch ist oder unmoralisch.
Der Haufe macht sich keine Gedanken, nicht einmal über die Dinge, über die sie stolpern; sie lernen nichts aus dem, was sie erfahren haben; ihnen selber freilich kommt es anders vor.«
»Wir dürfen nicht handeln und reden wie die Kinder, die nach dem beschränkten Grundsatz großgezogen wurden:»Wie es uns überliefert ward.«
Oft scheint es, als versuchten sie sich über den Verlust einer stabilen Welt zu trösten, indem sie an der Ansicht festhalten, daß ein unveränderliches Gesetz. alle Veränderung beherrscht.
»Der Krieg ist der Vater und der König aller Dinge; die einen erweist er als Götter, die anderen als Menschen, indem er diese zu Sklaven und jene zu Herren macht .. Man muß wissen, daß der Krieg allem gemeinsam ist und daß das Recht Streit ist und daß alles geschieht aufgrund von Streit und Notwendigkeit.«
Fast alle Mißverständnisse gehen auf einen fundamentalen Irrtum zurück, nämlich auf die Annahme, daß Konvention Willkür bedeutet: völlige Willkür in dem Sinn, daß ein System von Normen oder Konventionen ebenso gut ist wie jedes andere, sobald wir nur die Freiheit haben, ein beliebiges normatives System auszuwählen.
Wer die christliche Ethik der Gleichheit, der Duldung und der Gewissensfreiheit nur deshalb akzeptiert, weil sie beansprucht, auf göttlicher Autorität zu beruhen, der baut auf schwachem Grund.
Diese soziale Natur des Menschen entspringt der Unvollkommenheit des menschlichen Individuums.
Die Feinde der Freiheit haben ihre Verteidiger stets umstürzlerischer Absichten bezichtigt. Und fast immer glückte es ihnen, die Arglosen und Wohlmeinenden zu überreden.
Der Liberalismus und das Eingreifen des Staates stehen zueinander nicht im Widerspruch. Im Gegenteil: Freiheit ist unmöglich, wenn sie nicht durch den Staat gesichert wird.
nur ein Staat, der von freien Bürgern überwacht wird, kann diesen überhaupt ein vernünftiges Ausmaß an Sicherheit gewähren.
Was wir brauchen und wünschen, ist die Versittlichung der Politik und nicht die Politisierung der Sitten.
Das Interesse wird von den Institutionen auf Personalfragen verschoben, und die Auswahl der natürlichen Führer sowie die Frage ihrer Vorbereitung auf die politische Führung wird nun zum dringlichsten Problem.
Platon verlangt, daß »man nur disziplinierten und ausgeglichenen Naturen den Gebrauch von Argumenten erlauben dürfe«.
Der Vertreter autoritärer Prinzipien wird im allgemeinen die Gehorsamen, die Gläubigen zu seinen Nachfolgern machen, Menschen also, die seinen Einfluß anerkennen. Aber indem er so handelt, wählt er notwendigerweise mittelmäßige Geister. Denn wer sich auflehnt, wer zweifelt, wer es wagt, sich seinem Einfluß zu widersetzen, der bleibt ausgeschlossen.
Es ist aber eine Kritik der Tendenz, die Institutionen, insbesondere die Erziehungs-Institutionen, mit der unmöglichen Aufgabe der Auswahl der Besten zu belasten. Dies sollte nie ihre Aufgabe sein. Diese Tendenz macht unser Erziehungssystem zu einer Rennbahn und das Studium zu einem Hürdenrennen. Der Student wird nicht ermutigt, sich seinen Studien um des Studierens willen zu widmen, es wird ihm nicht wirkliche Liebe für seinen Gegenstand und für die Forschung eingeflößt; statt dessen treibt man ihn zum Studium um seiner persönlichen Karriere willen an; er wird angeleitet, sich nur so viel an Wissen anzueignen, als zur Bewältigung der Hürden, die ihm auf dem Weg zu seiner Beförderung begegnen, unbedingt notwendig ist. Mit anderen Worten: Sogar auf dem Gebiet der Wissenschaft beruhen unsere Auswahlmethoden auf einem Appell an eine ziemlich grobe Form von persönlichem Ehrgeiz. (Eine natürliche Reaktion gegen diesen Appell besteht darin, daß der eifrige Student von seinen Mitstudierenden mit Mißtrauen betrachtet wird.) Die unmögliche Forderung einer institutionellen Auswahl der intellektuellen Führer bedroht den Lebensnerv nicht nur der Wissenschaft, sondern auch der Intelligenz selbst.
Aber die meisten konkreten sozialen Gruppen einer modernen offenen Gesellschaft (mit der Ausnahme einiger glücklicher Familien) sind armselige Ersatzmittel, denn sie schaffen nicht den Rahmen für ein gemeinsames Leben. Viele von ihnen haben überhaupt keine Funktion innerhalb der größeren gesellschaftlichen Zusammenhänge.
Im Lichte des bisher Gesagten ist es klar, daß der Übergang von der geschlossenen zur offenen Gesellschaft eine der größten Revolutionen genannt werden kann, die die Menschheit durchgemacht hat.
(Demokraten, die nicht den Unterschied zwischen einer freundschaftlichen und einer feindseligen Kritik der Demokratie sehen, sind selbst in totalitärem Geiste befangen. Ein totalitäres Regime kann natürlich überhaupt keine Kritik als freundschaftlich ansehen, denn jede Kritik einer Autorität muß das Autoritätsprinzip selbst in Frage stellen.)
Es gibt keine Rückkehr in einen harmonischen Naturzustand. Wenn wir uns zurückwenden, dann müssen wir den ganzen Weg gehen – wir müssen wieder zu Raubtieren werden.