Wissen ist Macht, los!
Man kann sich anscheinend leicht davon überzeugen, dass
Allwissen fast gleichbedeutend ist mit Allmacht.
Dies geht so: Man kann alles im Universum ändern, indem man einen [[Schmetterling]] anstupst, weil man ja weiß, was die Konsequenzen sind.1
Ja, es ist verwunderlich, dass dieses Argument anzutreffen ist. Man kann schließlich auch kein Tennisspielen, nur weil man in Physik gut aufgepasst hat.
Eine schwächere Form hat als geflügeltes Wort jedoch Einzug in die Deutsche Sprache gefunden:
Wissen ist Macht.
Dies wird immer wieder zitiert, wenn es um die Wichtigkeit der Bildung geht.
Das meiste Wissen ist jedoch nur propositional2 3, sprich es ist nur eine Sammlung von Sätzen die (hoffentlich!) korrekt sind. Es fehlt die Bedeutung – das ist die Verbindung zur Wirklichkeit. Ein klassisches Beispiel im Englischen ist:
The mitochondria is the powerhouse of the cell.4
Mit diesem Satz kann man im Biologie-Unterricht einige Punkte machen, ohne dass man auch nur ein Wort darin versteht.5.
Es gibt also keine Macht die von propositionalen Wissen ausgeht. Es sei denn, diese Phrasen können irgendwo als Schibboleth genutzt werden, was aber im Hinblick auf die Einfachheit des Erlernens unwahrscheinlich ist. Gleichzeit übt propositionales Wissen einen gewissen Reiz aus, wie man durch die Existenz von Quiz-Shows, unnützem Wissen, etc. leicht belegen kann.
Kommen wir zum Beispiel mit dem Schmetterling zurück. Was uns in unserem Allwissen fehlt, ist die Fähigkeit, den Schmetterling genau in der richtigen weise anzustupsen. Nennen wir dies prozedurales Wissen.[^proz.schule]
Das propositionale Wissen, wie man eine Schleife bindet, ist es denn vorhanden, hilft uns im Alltag wenig. Selbst, wenn man anderen Menschen beibringen möchte, wie es geht, wird man nicht darauf zurückgreifen, sondern es einfach zeigen. Das prozedurale Wissen über das Binden einer Schleife ist sehr nützlich, wie jeder weiß, der Schuhe hat.6
Wenn wir nun wissen, was passieren wird, und wissen, wie wir den Schmetterling richtig anstupsen, können wir vermutlich einiges im Universum ändern. Doch es ist nicht gezeigt, dass man alle ändern kann und vermutlich dauert es sehr lange.
Wir haben bisher gesehen, dass propositionales Wissen alleine reizvoll und impotent ist. Wir haben ferner gesehen, dass wir zusammen prozeduralen Wissen schon einiges Erreichen können, doch reicht das an Wissen?
Die Antwort ist nein. Wir wissen nämlich noch nicht, wie wir es finden werden, wenn wir erreicht haben, was wir erreichen wollen. Dafür benötigt man perspektivisches Wissen.
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das heißt, es bezieht sich nur auf den Inhalt von Sätzen. ↩
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Die Arten von Wissen folgen der Einteilung John Vervaekes. ↩
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Vermutlich fördert unsere durch “Wissen ist Macht” legitimierter Unterricht gerade solches Wissen. Da man mit dem Auswendiglernen von Sätzen (leicht), ohne verstehen (schwer) gute Noten bekommen kann. ↩
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Algorithmus kennen vs. Algorithmus anwenden können: Wer viele Erotikfilme guckt, ist dadurch nicht direkt ein guter Liebhaber. ↩