Die Ersten werden die Letzten sein
Das Zitat ist natürlich aus dem Evangelium. Es findet sich insgesamt viermal.
Es geht nur bei Lukas um die Ersten sonst um viele Erste.
Nun schauen wir uns die Einzelnen Passagen an.
Bei Matthäus
Petrus will wissen, was für ihn dabei rausspringt, dass er alles aufgegeben hat, und Jesus nachgefolgt ist.1
Jesus sagt, super gut: 100X ROI, wenn Du meinetwillen und um des Evangeliums willens mitmachst.2 3
Dann eine Warnung an die Jünger:
Aber viele, die die Ersten sind, werden die Letzten und die Letzten werden die Ersten sein.
Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg ist die Erklärung des Satzes, es geht so: Weinberg-Eigentümer4 wirbt den ganzen Tag über Tagelöhner an. Am Ende des Tages bezahlt er allen unabhängig von ihrer Arbeitszeit den üblichen Tageslohn, den man nebenbei zum Überleben braucht.
Die, die Länger im Weinberg gearbeitet haben, sind dann neidisch auf die Nachkömmlinge,5 können die Güte des Eigentümers nicht ertragen und werden von ihm auf dem Weinberg verbannt. Sie offenbaren sich als welche, die nur zufällig und aus den falschen Gründen zu den ersten gehörten.
Das Gleichnis schließt mit:
So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein.
Das Gleichnis ist also Schlüssel zum Zitat und diese hat hier nichts damit zu tun, dass Leute die im Diesseits versagen, im Jenseits irgendwas dafür bekommen. Sondern eher damit, dass Menschen erbärmliche Neider sind und anderen nichts gönnen, was sich in vielen Kontexten, wo das Zitat falsch benutzt wird offenbart. Sprich, wenn man irgendwas gewinnt, erreicht oder Leute sich gut fühlen wollen, obwohl sie verlieren.
Bei Markus
Bei Markus steht der Satz nur einmal. Es fehlt die Erklärung durch das Gleichnis. Darum betrachten wir nun den weiteren Kontext der übrigens sehr ähnlich zu Matthäus.
Was passiert also bevor Petrus nach dem ROI fragt und Jesus antwortet, sehr guter ROI, beachte jedoch:
Viele aber werden die Letzten sein, die die Ersten sind, und die Ersten sein, die die Letzten sind.
Da ist ein rechtschaffener, reicher Jüngling uiuiui, der gerne ins Himmelreich6 will. Jesus sagt:
Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm, folge mir nach!
Macht er natürlich nicht.7 Also lässt sich Jesus darüber aus, wie schwer es ist in den Himmel zu kommen. Anschließend möchte Petrus wissen, wie es denn für sie aussieht.
Sind mit die Ersten die Reichen, die Erfolgreichen, sind? Gucken wir erst einmal, was als nächstes geschrieben steht:
Jesu Leiden und Auferstehung wird angekündigt und Jakobus und Johannes, wollen gerne neben Jesu sitzen, im Himmelreich. Jesus sagt, ist nicht meine Entscheidung, aber:
Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. Aber so ist es unter euch nicht; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein.
Hier – ohne das Gleichnis aus Matthäus – ist die Interpretation wesentlich naheliegender, dass die Ersten die Mächtigen sind. Doch letztlich steht die Aussage immer noch in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Handeln der Jünger, was es auch hier schwierig macht. Man weiß ja auch, dass Judas nachher der letzte war.
Das letzte Zitat sehe ich viel mehr als Abkehr von der Dominanz-Hierarchie zur Prestige-Hierarchie.8 Doch dies ist natürlich auch keine Umkehrung der Werte.
Bei Lukas
Nun ist der Kontext stark reduziert:
Es geht darum, wie schwer es ist, zu Gott, in das Himmelreich, zu kommen, dass es nur eine kleine Pforte gibt, die irgendwann vom Hausherr verschlossen wird. Viele die auf deren Straßen gelehrt wurde, werden nicht hereinkommen. Doch
es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes.
Sprich von weit und überall her werden Menschen ins Himmelreich kommen, doch viele in deren Straßen die Pforte ist, werden es nicht erreichen.
Und siehe, es sind Letzte, die werden die Ersten sein, und sind Erste, die werden die Letzten sein.
Und jetzt werfen wir einmal einen Blick in das Original. Die Letzten, das ist:
ἔσχατος (eschatos): η, ον […] der äußerste, letzte, entlegenste; bei Hom. nur örtlich
Fazit
Da das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg die einzige explizite Erklärung für das Gleichnis ist, sollte sie die Hauptstelle sein, durch die wir den Satz interpretieren.
Was ist also mit dem Wort gemeint?
Zuallererst ist es eine Warnung an die Selbstgerechten, die im Weinberg Gottes arbeiten und denken, sie hätten darum mehr verdient als die andere, die später dazustoßen.9
Zum anderen, ist es eine frohe Botschaft für all diejenigen Sünder, die erst zu später Stunde zum Weinberg Gottes stoßen und auch noch ihren vollen Lohn erhalten.10
Was es auf keinen Fall ist, ist ein Freifahrtsschein für Verlierer oder Sünder, weiterhin Verlierer oder Sünder zu bleiben, denn es gibt keine automatische Umkehr der Ordnung und irgendwann ist der Tag vorbei und die Tür zum Himmelreich verschlossen.11
-
Mt 19, 27. ↩
-
Mt 19, 28-29 ↩
-
Tricky: Wenn man es für das Evangelium macht, macht man es nicht für ROI. Also gibt es nur ROI, wenn man kein ROI will. Classic. ↩
-
Das ist Gott ↩
-
Traditionelle Auslegung ist, dass die bösen Pharisäer, die ersten Arbeiter sind, aber die Jünger selbst bieten sich aus dem Kontext heraus viel besser an, doch es funktioniert natürlich auf beiden Ebenen. Generell sollte man das NT vermutlich eher in dem Sinne lesen, dass man selbst die Rolle der Pharisäer (i.e. Heuchler) spielt. Nehm Euch in Acht von dem Sauerteig usw. ↩
-
Meiner Meinung nach Metapher, um Theisten Buddhanatur zu erklären. Highly speculative. ↩
-
und es geht auch gar nicht, darum, ob er es abgibt oder nicht, sondern ob er es abgeben kann oder nicht. Jesus macht deutlich, dass der junge Mann an seinem Besitz anhaftet, was natürlich ein erreichen des Himmelreichs unmöglich macht. ↩
-
Wie zum Beispiel Hiob am Anfang der Geschichte. Vgl. Was ist nur mit Ijob los? ↩
-
So ist ja der Christenjäger Saulus, zum Apostel Paulus geworden. ↩
-
Manch einer wird sagen, das ist ja einfach, ich kann die ganze Zeit sündigen, und am Ende mich bekehren, und dann wird mir das Himmelreich zuteil. Aber man möge Bedenken, dass es schwerer ist sich zu bekehren, je länger man als Sünder lebt. Es reicht nicht zu sagen, man kehre um. Man muss es tun. ↩