Rainer Zitelmann – Hitler: Selbstverständnis eines Revolutionärs
I. Einleitung
Da Hitler der Meinung war, die Masse sei dumm und unfähig zu differenziertem Denken, sind seine Reden auch dann nach dem „Schwarz/Weiß«- und »Gut/Böse«-Schema aufgebaut, wenn er selbst wesentlich differenzierter über verschiedene Sachverhalte dachte. Dies beweisen z. B. seine im internen Kreis vorgetragenen positiven Bemerkungen über Sozialdemokraten und Kommunisten sowie seine ebenfalls nie öffentlich geäußerte Kritik des italienischen Faschismus und des reaktionären Franco-Regimes.
Alle Angehörigen der deutschen Volksgemeinschaft sollten, so eines der zentralen sozialpolitischen Ziele Hitlers, unabhängig von bisherigem Sozialstatus, Besitz, Bildung und Einkommen, die Möglichkeit haben, an dem – von ihm sozialdarwinistisch verstandenen – Kampf um den sozialen Aufstieg teilzunehmen.
»Der Nationalsozialismus«, so erklärte Hitler in einer Rede am 1. 10. 1933, »hat weder im Individuum noch in der Menschheit den Ausgangspunkt seiner Betrachtungen, seiner Stellungnahmen und Entschlüsse. Er rückt bewußt in den Mittelpunkt seines ganzen Denkens das Volk.«
Man hat Hitler jahrelang als Teufel und »verabscheuungswürdiges Monstrum« dargestellt und es gerade so der Jugend unmöglich gemacht, die Motive jener zu verstehen, die damals in ihrer großen Mehrheit begeistert »Sieg Heil« schrieen und ihre ganzen Hoffnungen auf Hitler setzten.
»Die ›Normalisierung‹ unseres Geschichtsbewußtseins«, so schreibt Broszat, »kann auf die Dauer die NS-Zeit nicht ausschließen, kann nicht nur um sie herum erfolgen. Auch die Pauschaldistanzierung von der NS-Vergangenheit ist noch eine Form der Verdrängung und Tabuisierung.«
II. Hitler und die Revolution
Hitler erklärte häufig, die Frage Monarchie oder Re-publik, d. h. die Frage nach der besseren Staatsform, sei von sekundärer Bedeutung, da der Staat nur »Mittel zum Zweck« sei. Wichtig sei der Inhalt, nicht jedoch die Form.
»Wir Nationalsozialisten«, so Hitler im August 1923, »würden nicht gegen diese Republik ankämpfen, wenn sie etwa zugleich das Deutsche Reich wäre. Wir kämpfen gegen die Republik, weil diese Republik es nicht zuwegebrachte, den Deutschen wieder mit Stolz zu erfüllen, ein Deutscher zu sein. Wir würden nicht gegen die äußere Form kämpfen, wenn der Inhalt ein des deutschen Volkes würdiger wäre.«
Am 21. 9. 1941 äußerte er bei Tisch: »Das ist es, wofür ich der Sozialdemokratie dankbar bin, daß sie diese höfischen Interessen beseitigt hat. Ich weiß nicht, ob unsereiner, so notwendig es uns erscheinen mußte, dem Hause Hohenzollern gegenüber in solcher Weise hätte auftreten können.«
Besonders verachtete Hitler das Hofleben. Etikette und »alles was mit den gehobeneren Formen der Gesellschaft zusammenhing«, so berichtet Scheidt, »waren Hitler ein Greuel. Denn diese Umgangsformen beruhen auf den Rangunterschieden zwischen den Menschen, die ihnen durch Geburt oder Position zufallen. Besonders irgendwelche Vorzüge durch die Geburt wollte Hitler aber überhaupt nicht gelten lassen«
Hitler in »Mein Kampf«: »… wir wollten ja nicht das alte, an seinen eigenen Fehlern zugrunde gegangene Reich wieder vom Tode erwecken, sondern einen neuen Staat erbauen«. Er lehnte es ab, sich »mit jenen schwächlichen Parteien zu identifizieren, deren einziges politisches Ziel die Wiederherstellung vergangener Zustände ist«
Dies sei, so Hitler, ein Irrtum. Wenn etwas auf der Welt zusammenbreche, so habe dies Ursachen, und es gehe daher nicht an, die Vergangenheit mit all ihren Fehlern wiederherzustellen.
Euer Nationalismus«, so Hitler am 6. 4. 1927, »ist im günstigsten Falle ein Mittel, die Vergangenheit noch einmal lebendig werden zu lassen. Und unser Nationalismus ist der blinde Glaube an die Notwendigkeit der Schaffung eines neuen Zustandes, da der alte versunken und vertan ist.«
Nach dem Sieg einer herkömmlichen Parlamentspartei ändere sich grundsätzlich nichts, »während der Sieg einer neuen Weltanschauung umstürzend wirkt«
Schon vor der Machtergreifung bekannte Hitler ganz offen: »Wenn wir einmal die Macht bekommen, dann werden wir sie, so wahr uns Gott helfe, behalten. Wegnehmen lassen wir sie uns dann nicht mehr.«
»es muß ein Wille in Deutschland sein, und alle anderen müssen überwunden werden«
Die Toleranz gegenüber anderen Auffassungen sei lediglich ein Zeichen von Unsicherheit.
So belegte er in »Mein Kampf« seine These, daß Revolutionen weniger durch Schriftzeugnisse als durch die Kraft großer Redner vorbereitet würden, durch den Hinweis auf die Französische Revolution: Man solle nicht glauben, so Hitler, »daß die Französische Revolution je durch philosophische Theorien zustande gekommen wäre, hätte sie nicht eine durch Demagogen größten Stils geführte Armee von Hetzern gefunden, die die Leidenschaften des an sich gequälten Volkes aufpeitschten, bis endlich jener furchtbare Vulkanausbruch erfolgte, der ganz Europa in Schrecken erstarren ließ«. An einer anderen Stelle in »Mein Kampf« bezeichnete er das »Aufzeigen einer neuen großen Idee« als Geheimnis des Erfolges der Französischen Revolution.
Nicht alle heutigen Politiker seien als »Verbrecher« in die Parlamente eingezogen, viele von ihnen seien zunächst Idealisten gewesen, »genauso … wie wir es heute sind, aber der parlamentarische Sumpf und Morast hat allmählich ihr besseres Ich erstickt und sie zu dem gemacht, was sie heute sind«.
Im Juli 1921 trat Hitler demonstrativ aus der NSDAP aus.
»Dieser Abend und dieser Tag (des 8. November 1923), die haben es uns möglich gemacht, zehn Jahre lang legal zu kämpfen. Denn täuschen Sie sich nicht: Wenn wir damals nicht gehandelt hätten, hätte ich niemals eine revolutionäre Bewegung gründen, sie bilden und erhalten und dabei doch legal bleiben können. Man hätte mir mit Recht gesagt: Du redest wie die anderen und handeln wirst Du genau so wenig, wie die anderen. Aber dieser Tag, dieser Entschluß hat es mir ermöglicht, allen Widerständen zum Trotz neun Jahre lang durchzuhalten. «
Angesichts des politischen und wirtschaftlichen Versagens der Weimarer Republik strebten zwar breite Kreise der Bevölkerung eine grundlegende, ja revolutionäre Umwälzung der Verhältnisse an, andererseits war die deutsche obrigkeitsstaatliche und autoritäre Tradition jedoch so tief verwurzelt, daß die meisten Menschen eine gewaltsame und blutige Revolution innerlich ablehnten.
Am 9. 11. 1927 erklärte Hitler: »Wir sind an dem Tage, an dem das alte Reich zerbrach und der neue Staat sich bildete, von ehemaligen Soldaten zu Kritikern, zu Protestmenschen dem jetzigen Staat gegenüber geworden.«
Hitler selbst erklärte 13 Jahre nach dem Putsch in einer seiner jährlichen Gedenkreden: „Und ein ganz schwerer Entschluß war es für mich, die bayerische Regierung gefangen zu nehmen und in Deutschland eine nationale Revolution auszurufen. Zum erstenmal mußte man entscheiden über Leben und Tod, ohne selbst einen Befehl bekommen zu haben.«
Eine in den dreißiger Jahren erstellte empirische Studie Erich Fromms über »Arbeiter und Angestellte am Vorabend des Dritten Reiches«, die auf der Auswertung von mehr als tausend zumeist 1929/30 beantworteten Fragebogen beruhte, kam zu dem Ergebnis, daß hauptsächlich der »rebellisch-autoritäre« Charaktertyp für den Nationalsozialismus anfällig sei.
III. Hitlers soziale Zielsetzungen und seine Einschätzung der Hauptklassen der modernen Gesellschaft
»… wenn mich jemand fragt, weshalb sind Sie Sozialist, so sage ich, weil ich glaube, daß unser Volk nicht auf die Dauer bestehen kann, als Volk, wenn es nicht in allen Teilen gesund ist. Ich kann mir keine Zukunft unseres Volkes vorstellen, wenn ich auf der einen Seite sehe, daß eine wohlgemästete Bürgerschaft daherwandelt, und nebenher abgemagerte Arbeitergestalten schreiten. Ich frage, wie soll unsere Zukunft aussehen, mich interessiert nur mein Volk, wie wird das sein in 100 Jahren, darauf kommt es an. Nicht aus Mitleid mit dem Einzelnen bin ich Sozialist, nur aus Rücksicht auf unser Volk. Ich will, daß das Volk, das uns das Leben gegeben hat, auch in der Zukunft besteht«.
»Auf dreierlei kommt es an bei jeder Erhebung: die Mauern einzureißen, welche die Stände voneinander trennen, um jedem den Weg zum Aufstieg freizugeben, ein allgemeines Lebensniveau zu schaffen derart, daß auch der Ärmste ein gewisses Existenzminimum sicher hat, und schließlich zu erreichen, daß an den Segnungen der Kultur ein jeder teilhaben kann.«
Man werde einwerfen, so Hitler, »daß man dem Söhnchen, zum Beispiel eines höheren Staatsbeamten, doch nicht zumuten dürfe, sagen wir, Handwerker zu werden, weil irgendein anderer, dessen Eltern Handwerker waren, befähigter erscheint«. Diese Ansicht resultiere jedoch nur aus der gesellschaftlichen Geringschätzung der körperlichen Arbeit. Aufgabe des völkischen Staates sei es daher, die gesellschaftlichen Vorurteile abzubauen und durch einen Umerziehungsprozeß dahin zu gelangen, daß körperliche und geistige Arbeit gleichermaßen geachtet werden.
»Da schleifen wir zur Zeit die größten Strohköpfe durch die Gymnasien und Hochschulen, nur weil der Vater sich in gehobener Stellung befindet oder weil er das Geld dazu hat«
In der Tat wurde ja, wie Schoenbaum nachweist, durch die nationalsozialistische Revolution die soziale Mobilität erhöht, den Angehörigen der unteren Schichten wurden neue Aufstiegschancen eröffnet. Unhaltbar ist jedoch die von ihm, aber auch von Dahrendorf und anderen vertretene Ansicht, dieser Prozeß sei gegen die Intentionen Hitlers und der Nationalsozialisten erfolgt. Der angebliche Widerspruch zwischen erzielter Wirkung und Intention ist zumindest auf diesem Gebiet nicht festzustellen. Das Gegenteil ist vielmehr richtig.
»Uns schwebt ein Staat vor in der Zukunft, bei dem jede Stelle vom fähigsten Sohn unseres Volkes besetzt sein soll, ganz gleichgültig, woher er kommt. Ein Staat, in dem Geburt gar nichts ist und Leistung und Können alles. Das ist unser Ideal, für das wir nun arbeiten…«
Am 20. 1. 1942 kritisierte Hitler die mangelnden Aufstiegschancen für Arbeiter in der alten Armee: »Neben unerhört Gutem war in der alten Armee unerhört viel Veraltetes, daraus ist die Sozialdemokratie geboren worden, was nie geschehen wäre, wenn nicht beim Heer und bei der Marine alles getan worden wäre, den Arbeiter dem Volk zu entfremden, ihn zu absorbieren. Er konnte nichts werden. Eine Einrichtung, die sich verheerend auswirken mußte! … Umgekehrt, jeder Lehrer konnte automatisch Offizier werden. Das sind viele geworden, die absolut versagt haben. Man darf da nicht verallgemeinern! Wenn einer sich bewährt hat, dann weiß man, er ist führungsfähig.«
Hitler am 14.10. 1923: »Man kann den Marxismus z.B. nicht durch ein behördliches Verbot beseitigen, sondern man kann eine Weltauffassung, und um diese handelt es sich, nur dadurch beseitigen, indem man eine andere Weltanschauung den Massen gibt. Ich kann dem Volke seinen Gott nur dann nehmen, wenn ich ihm etwas Vollwertiges dafür geben kann.«
Hitler unterschied sich von den bürgerlichen Parteien gerade dadurch, daß er eine »Weltanschauung« verkündete und immer wieder ausdrücklich betonte, er habe »keine Versprechungen« zu machen.
das hauptsächliche Bemühen Hitlers, das »Primat der Politik« vor der Wirtschaft zu realisieren. Deshalb legte er großen Wert darauf, daß kein Funktionär der NSDAP und kein staatlicher Funktionsträger Aktien besaß oder Aufsichtsratsposten etc. innehatte.
»Nicht der Staat soll dich zwingen, daß du dieser natürlichen Pflicht genügst, sondern du sollst deiner Empfindung für deine Volksgemeinschaft selbst lebendigen Ausdruck geben! Du mußt herantreten und freiwillig Opfer bringen.«
Hitler betonte verschiedentlich, daß Zwang und Gewalt als Herrschaftsgrundlage unzureichend seien und einzig die »Weltanschauung« als verläßliche Basis der Gesellschaft dienen könne: »Es ist nun einmal so: Mit Polizei, Maschinengewehr und Gummiknüttel kann man auf die Dauer allein kein Regiment erhalten. Er gehört dazu noch etwas anderes, irgendeine gläubige Vorstellung von einer weltanschaulichen Notwendigkeit der Aufrechterhaltung eines Regiments.«
Am 30. 1. 1939 erklärte er in einer Reichstagsrede, die Volksgemeinschaft sei »allerdings primär nicht durch den Zwang der Gewalt zu schaffen, sondern durch die zwingende Gewalt einer Idee und damit durch die Anstrengungen einer andauernden Erziehung…«
»Seit zweieinhalbtausend Jahren seien mit ganz wenigen Ausnahmen nahezu sämtliche Revolutionen gescheitert, weil ihre Träger nicht erkannt hatten, daß das Wesentliche einer Revolution nicht die Machtübernahme, sondern die Erziehung des Menschen ist«
Hitler stand vielmehr dem Bestreben, an die Stelle des schwierigen Prozesses der Umerziehung allzuschnell den äußeren Zwang zu setzen, skeptisch gegenüber, weil er äußere Zwangsmaßnahmen langfristig für weniger wirkungsvoll erachtete als die zu erzielenden Resultate eines permanenten Indoktrinierungsprozesses. Diese Einstellung kam auch zum Ausdruck, als unmittelbar vor Kriegsbeginn die Fachminister eine Bezugsscheinpflicht für Lebensmittelkarten einführten: Hitler »tobt über die Karten. Er will sie alsbald wieder abschaffen und ist vor allem erbost, daß man alles wieder mit dem Polizeiknüppel und mit Strafandrohungen macht, statt an das Ehrgefühl zu appellieren«.
IV. Revolutionierung der Verhältnisse von Politik und Ökonomie und Umgestaltung der Wirtschaftsordnung als zentrale Zielsetzung Hitlers
In der Vorbereitung für die letzten Wahlen vom 5. 3. 1933 betonte Hitler denn auch bei einer Ministerbesprechung, er empfehle, »bei der Wahlpropaganda nach Möglichkeit alle genaueren Angaben über ein Wirtschaftsprogramm der Reichsregierung zu vermeiden. Die Reichsregierung müsse 18-19 Millionen Wählerstimmen hinter sich bringen. Ein Wirtschaftsprogramm, das die Zustimmung einer derartig großen Wählermasse finden könne, gebe es auf der ganzen Welt nicht«
In einem 1939 in London erschienenen Buch konstatierte Claude William Guillebaud den Widerspruch zwischen den mehr als skeptischen Prognosen der Hitler-Kritiker und den tatsächlich eingetretenen wirtschaftlichen Erfolgen des Regimes: »Im Herbst 1936 stand der Erfolg des ersten Vierjahresplanes außer Zweifel. Die Arbeitslosigkeit war kein schwerwiegendes Problem mehr. Die Vollbeschäftigung war im Baugewerbe und in den Produktionsgüterindustrien erreicht. Das Volkseinkommen stieg ständig an und hatte den mengenmäßigen Umfang des bisherigen Rekordstandes 1928 erreicht. Die Industrie und die Banken waren liquid und Ersparnisse boten sich in steigendem Maße am Kapitalmarkt an. Der Kreislauf war geschlossen. Die Politik, die 1932133 so kühn er-schien, wurde durch die Ergebnisse gerechtfertigt … Die Zweifel des Auslandes, das fast ohne Ausnahme einen Erfolg des deutschen Experiments nicht für möglich gehalten hatte, hatten sich als unbegründet erwiesen. Der Erfolg war für jeden sichtbar.«
Diese Gabe Hitlers, komplizierte Phänomene zu vereinfachen, wurde auch von Schacht anerkannt: »Hitler war ein Genie der Findigkeit. Er wußte für die schwierigsten Situationen oftmals Lösungen, die überraschend einfach waren, auf die andere aber nicht kamen … Seine Lösungen waren oft brutal, aber fast immer wirksam.«
In den Wirtschaftskongressen sagt man, die Zukunft unseres Volkes liege auf der Wirtschaft (sic) und in ihr, und das ist lächerlich, aus vielerlei Gründen. Die wesentlichsten sind, erstens: Die Wirtschaft selbst ist immer eine Zweiterscheinung und keine erste. Die Wirtschaft baut nicht Staaten, sondern die politische Kraft baut Staaten. Niemals kann die Wirtschaft die politische Kraft ersetzen, sondern wenn ein Volk keine politische Kraft besitzt, fällt seine Wirtschaft in sich zusammen. Die Wirtschaft ist eher belastend als aufbauend. Sie sehen heute viele Deutsche, besonders in bürgerlichen Schichten, die immer sagen, die Wirtschaft wird unser Volk zusammenschmieden. Nein, die Wirtschaft ist ein Faktor, der ein Volk eher zerreißt. Ein Volk hat politische Ideale. Wenn aber ein Volk nurmehr in Wirtschaft aufgeht, muß die Wirtschaft ein Volk damit zerreißen, weil in unserer Wirtschaft stets Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich gegenüberstehen. Auch in einer sogenannten kommunistischen Wirt. schaft … Wenn Menschen nur auf Wirtschaft allein sehen, wird ihre aus. einanderreißende Tendenz offenbar«
Wenn nun heute ein Unternehmer nur wirtschaftlich denkt, dann liegt sein Sinn nach Gewinn, entgegengesetzt dem Denken des Arbeitnehmers nach höherem Lohn. Kurz und gut, wenn nur mehr wirtschaftlich gedacht wird, dann beginnt ein Volk sich nicht nur etwa in zwei, sondern es beginnt sich langsam in zahllose Klassen aufzulösen.«
Nach der Machtergreifung bekannte sich Hitler, z. B. in seiner bekannten Ansprache zum »Tag von Potsdam« am 21.3.1933, programmatisch zum Primat der Politik als Ziel seiner Regierung: »Wir wollen wiederherstellen das Primat der Politik, die berufen ist, den Lebenskampf der Nation zu organisieren und zu leiten.« In seiner Rede zur Begründung des Ermächtigungsgesetzes erklärte er zwei Tage darauf: »Hier wird ein Gesetz alles Handeln bestimmen: Das Volk lebt nicht für die Wirtschaft, und die Wirtschaft existiert nicht für das Kapital, sondern das Kapital dient der Wirtschaft und die Wirtschaft dem Volk!«
»Es ist unmöglich, einem Volke einen starken inneren Halt zu geben, wenn nicht die großen Bauten der Allgemeinheit sich wesentlich über die Werke erheben, die doch mehr oder weniger den kapitalistischen Interessen einzelner ihre Entstehung und Erhaltung verdanken.«
»Der Staat kann nach den Bedürfnissen des allgemeinen höheren Interesses nur dann entscheiden, und die Staatsführung hat auch nur dann die absolute Autorität, wenn aus ihr ausscheiden alle diejenigen, welche gebunden sind dadurch, daß sie einem Wirtschaftsunternehmen in irgendeiner Form angehören oder nahestehen (was aber schon der Fall ist, wenn sie in ihrem Vermögen Privatpapiere haben). Jeder wird vor die Alternative gestellt werden müssen, sich zu entscheiden, ob er darauf verzichten und im öffentlichen Dienst bleiben oder ob er den Dienst quittieren will. Die Möglichkeit einer rein spekulativen Betätigung muß für Männer der öffentlichen Führung völlig ausgeschlossen sein. Werte können sie in Grund und Boden anlegen oder auch in Staatspapieren, weil sich damit ihr Besitz mit der Existenz des Staates verknüpft … Das gilt für alle Männer, die im Reichstag sitzen, im Reichsdienst oder in der Wehrmacht stehen oder zum Führerkorps der Partei gehören. Sie müssen von diesen Wirtschaftsinteressen vollständig losgelöst sein. Wir sehen, wohin es führt, wenn man dabei nicht ganz eiskalt und hart verfährt: England wäre nicht in diesen Krieg hineingeschlittert, wären Baldwin und Chamberlain nicht an der Rüstungsindustrie interessiert gewesen.«
Das freie Leben ist so natürlich wie der Kampf in der Natur draußen, der auch keine Rücksicht nimmt und viele Lebewesen vernichtet, so daß nur das Gesunde übrigbleibt. Würde man diesen Grundsatz durch die Sozialisierung beseitigen, so würde man die Prinzipien unserer Staatsverwaltung auf den Aufbau unseres ganzen wirtschaftlichen Lebens übertragen, und wir würden damit jammervoll Schiffbruch leiden. Wir könnten in einer durchgehend bürokratisierten Wirtschaft überhaupt nicht einen menschlichen Fortschritt erzielen.«
»Die deutsche Wirtschaft aber wird die neuen Wirtschaftsaufgaben begreifen oder sie wird sich eben unfähig erweisen, in dieser modernen Zeit, in der ein Sowjet-Staat einen Riesenplan aufrichtet, noch weiter zu bestehen.«
»Wir werden in ein bis zwei Jahren im Treibstoff- und Gummibedarf vom Auslande unabhängig sein … Und es darf keinen Zweifel geben: Entweder die sogenannte freie Wirtschaft ist fähig, diese Probleme zu lösen, oder sie ist es nicht fähig, als freie Wirtschaft weiterzubestehen! Der nationalsozialistische Staat wird unter keinen Umständen weder vor der Bequemlichkeit oder Beschränktheit noch vor dem bösen Willen des einzelnen Deutschen kapitulieren.«
Die Etablierung eines neuen Wirtschaftssystems, das, wie Hardach selbst richtig formuliert, »eine Alternative zu Kapitalismus und Kommunismus sein sollte und weder freie Marktwirtschaft noch totale Planung bedeutete« gehörte zu den wichtigsten Zielen der von Hitler angestrebten Revolution.
Hitler war, wie er in einem Gespräch mit Mussolini am 22. 4. 1944 bekannte, zu der Überzeugung gelangt: »Auch der Kapitalismus hätte seine Rolle ausgespielt, die Völker würden ihn nicht mehr ertragen. Als Sieger würden die Ideen des Faschismus und des Nationalsozialismus übrigbleiben – vielleicht des Bolschewismus im Osten.«
Da das planwirtschaftliche System völlig in Übereinstimmung zu Hitlers weltanschaulichen Prämissen stand und sich in der Praxis als äußerst effektiv erwies, wäre Hitler, wie dies die Unternehmer zu Recht befürchteten, nach dem Krieg wohl nicht den Weg des Abbaus des Staatsinterventionismus gegangen, sondern hätte – hierauf deuten seine Äußerungen hin – dieses System sehr wahrscheinlich konsequent weiter ausgebaut.
Denn Hitlers Methode war es bekanntlich selten, eine Institution oder Einrichtung einfach radikal zu beseitigen, sondern sie in ihrer inneren Substanz und ihrem Wesen so lange auszuhöhlen, bis von ihrer ursprünglichen Funktionsbestimmung bzw. ihrem ursprünglichen Inhalt praktisch nichts mehr übrigblieb. Nur als Analogie sei angemerkt, daß ja auch die Weimarer Verfassung nie außer Kraft gesetzt, wohl aber in ihrer Substanz und Intention Stück für Stück ausgehöhlt und damit praktisch aufgehoben wurde.
Hitler argumentierte gegen die Privatisierungspläne: »Und glaubt man endlich, daß das derzeitige Defizit der Reichseisenbahn bei ihrem Übergang in Privatbesitz etwa von den neuen Besitzern gedeckt würde? Ist es nicht vollständig klar, daß diese Lasten eben künftighin doch wieder nur dem Steuerzahler, wenn auch in anderer Form, als höhere Tarife usw. aufgebürdet werden?«
»In sozioökonomischen Fragen«, so zeigt Henry Turner in seiner Studie über die Beziehungen zwischen Großunternehmern und Nationalsozialisten, »vertrat die NSDAP häufig Standpunkte, die von denen der extremen Linken praktisch nicht zu unterscheiden waren«. Wenn es um wirtschaftliche Fragen, z. B. um Steuergesetze, ging, stimmten die Nationalsozialisten im Reichstag oft zusammen mit Kommunisten und Sozialdemokraten.
»…Damit muß zugegeben werden, daß die Menschen wirtschaftlich nicht auf allen Gebieten von vornherein gleich wertvoll, gleich bedeutend sind. Dies zugegeben, ist es jedoch Wahnsinn zu sagen: Auf wirtschaftlichem Gebiete sind unbedingt Wertunterschiede vorhanden, auf politischem Gebiete aber nicht! Es ist ein Widersinn, wirtschaftlich das Leben auf dem Gedanken der Leistung, des Persönlichkeitswertes, damit praktisch auf der Autorität der Persönlichkeit aufzubauen, politisch aber diese Autorität der Persönlichkeit zu leugnen und das Gesetz der größeren Zahl, die Demokratie, an dessen Stelle zu schieben.«
Für Hitler war die Frage der formalen Aufrechterhaltung des Privateigentums nicht entscheidend. Wenn der Staat das unbedingte Recht hat, über die Entscheidungen der Produktionsmittelbesitzer zu bestimmen, dann bedeutet das formale Rechtsinstitut der Eigentumsgarantie nicht mehr viel.
In einer Rede anläßlich des 100jährigen Bestehens der deutschen Eisenbahn erklärte er, man müsse »in der Eisenbahn, so wie sie sich in Deutschland entwickelt habe, das erste ganz große sozialistische Unternehmen sehen gegenüber den Gesichtspunkten der Vertretung rein kapitalistischer Einzelinteressen. Das erkenne man erstens in der Organisation des Eisenbahnverkehrs an sich. Das Verkehrsnetz der Bahn sei in seinem innersten Wesen sozialistisch empfunden und sozialistisch gedacht. Es sei das Eigenartige dieses Unternehmens, daß an der Spitze nicht die Frage des Gewinns, sondern die Befriedigung des Verkehrsbedürfnisses stehe«. D. h., es werden Eisenbahnlinien auch dort gebaut, wo sie an sich nicht rentabel sind, aber das Bedürfnis nach einer Verbindung besteht. »Es würde ein unermeßlicher Rückschritt sein, wollten wir heute etwa den Gedanken vertreten, die Linien abzubauen, deren Rentabilität nicht gesichert ist. Das würde geradezu eine Rückkehr in schlimmste und kapitalistische Auffassungen bedeuten.« Hitler sah das Wesen eines nach sozialistischen Prinzipien betriebenen Unternehmens also darin, daß die Frage der Gewinnmaximierung nicht ausschlaggebend für die Investitionsentscheidungen sein dürfe.
Die Entwicklung, die mit Hitlers und Görings wiederholten Drohungen begonnen hatten, führte schließlich zum Aufbau der »Reichswerke Hermann Göring«, die 1940 bereits 600 000 Menschen beschäftigten. Das Werk in Salzgitter wurde schließlich das größte in Europa. Der nationalsozialistische Staat hatte damit gezeigt, daß es ihm mit dem so oft proklamierten »Primat der Politik« ernst war und er nicht davor zurück-schreckte, in Bereichen, in denen die Privatwirtschaft sich gegen die Ausführung staatlicher Direktiven sträubte, selbst tätig zu werden und staatliche Betriebe aufzubauen.
die Begründung des Volkswagenwerkes durch die DAF. Auch dem ging Zunächst ein heftiges Ringen mit der Industrie voraus. Hitler sah im Auto das Fortbewegungsmittel der Zukunft, allerdings nur unter der Voraussetzung, daß es gelinge, einen billigen und damit auch für die breite Masse erschwinglichen »Volkswagen« zu produzieren. Daher war er von der Idee des Konstrukteurs Ferdinand Porsche, einen solchen Wagen zu konstruieren, sofort begeistert, stellte ihm jedoch die Bedingung, den Endpreis (den Porsche schon sehr knapp auf 1550.- RM kalkuliert hatte) noch erheblich zu senken: »Es muß möglich sein«, so erklärte er dem Konstrukteur, »dem deutschen Volke einen Kraftwagen zu schenken, der im Preis nicht mehr kostet als früher ein mittleres Motorrad.« Dieses Vorhaben ließ sich technisch und wirtschaftlich durchaus realisieren, stieß aber seitens der Privatwirtschaft auf Ablehnung.
Der Privatbesitz sei als Einzelbesitz unbedingt zu schützen! Es sei etwas sehr Natürliches und Gesundes, wenn einer einen Teil seines Arbeitsergebnisses zur Anlegung eines Familienbesitzes verwende. Wenn dieser Familienbesitz in einer Fabrik bestehe, so wird diese Fabrik – solange die Familie einen gesunden Erbstamm hat – von einem Familienmitglied sicher besser und damit auch für die gesamte Volksgemeinschaft erfolgreicher geleitet als etwa von einem Staatsbeamten. Insofern könne er nur nachdrücklich die Sicherung der privaten Industrie vertreten. Ebenso nachdrücklich sei er aber gegen den anonymen Privatbesitz der Aktie. Ohne selbst etwas dazu zu tun, erhalte der Aktionär mehr Dividende, wenn die Arbeiter der Aktiengesellschaft fleißig statt faul seien oder ein genialer Ingenieur an der Spitze des Betriebes stehe oder gar ein Schieber die Geschäfte der Aktiengesellschaft besorge. Wenn der Aktionär gar so schlau sei, in seiner Anonymität an mehreren Aktiengesellschaften beteiligt zu sein, so ziehe er reine Spekulationsgewinne, ohne Verluste – die er nicht auf der anderen Seite wieder ausgleichen könne – befürchten zu müssen. Dieses mühelose Spekulationseinkommen sei stets von ihm abgelehnt und bekämpft worden.
V. – ein Gegner der modernen Industriegesellschaft? Modernistische und anti-modernistische Elemente in Hitlers Weltanschauung
Hitlers Ansicht, die deutsche Strategie der Wirtschaftsexpansion sei eine entscheidende Ursache des Ersten Weltkrieges gewesen, entsprach die damals in Deutschland weit verbreitete Theorie von dem britischen Handelsneid als Ursache des Krieges.
Diese damals weit verbreitete Theorie, die heute von der Geschichtswissenschaft zumindest als alleinige Erklärung der Ursachen des Ersten Weltkrieges abgelehnt wird, wurde damals von den verschiedensten politischen Strömungen zur Untermauerung ihrer Thesen herangezogen.
»So müsse man erkennen, daß letzten Endes Europa ganz auf sich selbst angewiesen ist. Die wichtigste Aufgabe sei es, den reichsten und fruchtbarsten Teil Europas (gemeint war das europäische Rußland, speziell die Ukraine - R. Z.), der bis jetzt gegen Europa organisiert wurde, von nun an für Europa nutzbar zu machen … Europa müsse seine eigenen Hilfsquellen mobilisieren, und dies würde geschehen. Europa könne autark werden und würde sich autark machen … Es sei eine gewaltige Aufgabe, Europa zu einem autarken Gebilde zu entwickeln, eine Aufgabe, die lösbar ist, und zwar nur mit verhältnismäßig kleinen Korrekturen … Der ganze Reichtum des weiten europäischen Rußland sei nicht dem europäischen Menschen, noch nicht einmal dem russischen Menschen nutzbar gemacht worden, sondern er sei ausschließlich dafür verwandt worden, eine gigantische Rüstung gegen Europa zu entwickeln«.
So begründete Goebbels am 17.11. 1942 auf einer NSDAP-Kundgebung den Sinn des Krieges wie folgt: »Wenn wir also in den Osten vorstießen und noch vorstoßen, so nicht aus rein theoretischen Erwägungen, nicht um Europa nur zu retten. (Dies war ansonsten ein beliebtes Thema der NS-Propaganda - R. Z.) Wenn es nur um Europa ginge, so würden wir Europa seine Rettung gerne selbst anvertrauen. Sondern darüber hinaus auch um unseren Lebensraum auszuweiten… Jetzt wollen wir die Weizenfelder am Don und Kuban besitzen und wollen damit die Hand auf dem Brotbeutel Europas haben! Wir wollen jetzt die Ölquellen und die Eisen- und Kohlen- und Manganlager besitzen. Wir wollen uns einen kolonialen Besitz auf eigenem europäischen Raum beschaffen, und das ist unser begrenztes Ziel …«
Auf der Tagung des Generalrats der Wirtschaft am 20. 9. 1933 erklärte er, es gelte »vor allem, die Ideologie der Bedürfnislosigkeit und der systematischen Einschränkung des Bedarfs, also den vom Kommunismus ausgehenden Primitivitätskult zu bekämpfen. Dieses bolschewistische Ideal der allmählichen Rückentwicklung der Zivilisationsansprüche müsse unweigerlich zur Zerstörung der Wirtschaft und des ganzen Lebens führen… Das Entscheidende ist nicht, daß alle sich beschränken, sondern daß alle sich bemühen, vorwärts zu kommen und sich zu verbessern. Die deutsche Wirtschaft kann nur bestehen unter einer ganz bestimmten Bedarfshöhe und unter einer ganz bestimmten Kulturforderung des deutschen Volkes«
So fällte er, gegen die noch überwiegende Mehrheit der Fachmilitärs, die Entscheidung für die Schaffung integrierter, selbständig operierender Panzerdivisionen und Panzerarmeen. Diese neuartigen Heeresformationen, die 1938 nur die deutsche Armee besaß, erwiesen sich in den ersten beiden Kriegsjahren als feldzugentscheidende Waffe und wurden später von allen anderen Armeen nachgeahmt. Ihre Schaffung bezeichnete Haffner als »Hitlers persönliches Verdienst und seine größte Leistung auf militärischem Gebiet«
Ende Juli 1942 stimmte Hitler sogar der Vorlage eines Erlasses zu, nach dem die Aufsichtsräte in den Rüstungsfirmen höchstens zu 20-30 % aus dem Bankgewerbe oder von Juristen gestellt werden dürften, während der Hauptteil von Fachleuten der Industrie gestellt werden sollte.
Die Tatsache. daß die Nationalsozialisten es verstanden, in die von ihnen geschmiedete Koalition aller Unzufriedenen auch jene anti-modernistischen Strömungen einzubeziehen, die ihre Ablehnung des Kapitalismus mit einer rückwärtsgewandten Zivilisationskritik begründeten, hatte dazu geführt, daß diese den Nationalsozialismus als Verwirklichung ihrer eigenen Ziele mißverstanden. Es bedeutet eine Fortsetzung dieses Mißverständnisses, wenn man Hitlers Ziele mit den anti-modernistischen Utopien dieser Kräfte vermengt. Lediglich in einem Punkt sah Hitler die Berechtigung dieser zivilisationskritischen Tendenz, nämlich in deren Kritik der Naturzerstörung.
»Die Ausnutzung der Wasserkräfte ist bei uns auf Grund der Macht der privatkapitalistischen Interessen noch ganz in den Anfängen. Die Großwasserkraft muß sich in erster Linie an die Großabnehmer, die chemische Industrie zum Beispiel, halten. Im übrigen wird aber geradezu prämiert werden müssen die Gewinnung jeder Pferdekraft im Stil unserer früheren Mühlenkraftnutzung: Das Wasser rinnt, man braucht sich nur eine Stufe zu bauen und hat, was man braucht, während die Kohle eines Tages zu Ende geht, ist das Wasser immer neu da. Das kann man alles ganz anders auswerten als jetzt. Man kann Stufe hinter Stufe bauen und das kleinste Gefälle nutzbar machen, erhält dabei einen gleichmäßigen Wasserablauf und man kann bombensicher bauen. Das neue Fischersche Verfahren 5 ist eine der genialsten Erfindungen, die je gemacht worden sind… Wenn alle unsere Städte das Münchener Faulschlamm-Verfahren zur Gas-Gewinnung ausnutzen würden (12 % vom normalen Gasbedarf werden in München damit gedeckt), so machte das etwas Ungeheures aus. In der Welser Heide kommt das Gas aus der Erde: die Stadt Wels ist davon geheizt; ich würde mich nicht wundern, wenn dort eines Tages auch Petroleum erschlossen würde. Aber die Zukunft ist sicher: Wasser, Winde, die Gezeiten; als Heizkraft wird man wahrscheinlich Wasserstoffgas verwenden.«
»Man muß sich davor hüten, in der Organisation zu weit zu gehen, weil eine unvorhergesehene Katastrophe dann leicht den ganzen Apparat stillegt. So wäre es nicht richtig, angesichts der Bonität der Ukraine-Böden zu sagen: Hier darf nur Korn gebaut werden. Nein, da soll auch Viehwirtschaft sein! Die Natur legt es von sich aus darauf an, die Erdgebiete nach Möglichkeit autark zu gestalten, und der Mensch muß sehen, die gemischte Ordnung zu erhalten. So wollen wir die Sümpfe bestehen lassen, nicht nur, weil wir sie als Manövergelände brauchen, sondern auch des Wetters wegen, der Gefahr der Versteppung zu begegnen. Sie wirken wie ein Schwamm; sonst könnte sein, daß einmal die ganze Ernte durch Hitzewellen vernichtet wird.«
1935 wurde tatsächlich ein »Reichsnaturschutzgesetz« verabschiedet. in dem z. B. sämtliche Reichs-, Staats- und Kommunalbehörden verpflichtet wurden, »vor Genehmigung von Maßnahmen oder Planungen, die zu wesentlichen Veränderungen der Landschaft führen können, die zuständigen Naturschutzbehörden so rechtzeitig zu beteiligen, daß den Belangen des Naturschutzes Rechnung getragen werden kann«
Daher versprachen sich viele Naturschützer eine grundlegende Wende erst von der Eroberung neuen Lebensraums, der es z. B. ermöglichen sollte, den bestehenden Nationalpark von Bialowies (in Polen) von 46 auf 2600 qkm auszudehnen oder gar, so die Absicht des Reichsministers Seyß-Inquart, »vom Großglockner bis zum Großvenediger ein Naturschutzgebiet ganz großen Stils einzurichten«
»Niemals aber darf der Nationalsozialismus sich bemühen, in äffischer Weise kultisch eine Religion nachzuahmen, für ihn gilt immer nur, wissenschaftlich eine Lehre aufzubauen, die nichts weiter ist als ein Kultus der Vernunft.«
Am 5. 6. 1942 forderte Hitler, »daß man alles tun müsse, um für alle Zukunft einer geistigen Verkrüppelung weiter Kreise des deutschen Volkes vorzubeugen, egal, ob diese sich nun als religiöser Wahn oder als sonstige Form der Geistesgestörtheit äußere. Er habe deshalb veranlaßt, daß – soweit nur irgend möglich – in allen größeren Städten Sternwarten errichtet würden, da Sternwarten erfahrungsgemäß das beste Mittel darstellten, um das Weltbild des Menschen zu vergrößern und damit geistigen Verkümmerungen vorzubeugen«.
Speer berichtet, Hitler habe sich auch ausdrücklich gegen Himmlers SS-Mythos ausgesprochen: »Welcher Unsinn! Jetzt sind wir endlich so weit, in eine Zeit zu kommen, die alle Mystik hinter sich gelassen hat, und nun fängt der wieder von vorne an. Da könnten wir auch gleich bei der Kirche bleiben. Die hat wenigstens Tradition. Der Gedanke, daß ich einmal zum ›SS-Heiligen‹ gemacht werde! Stellen Sie sich vor! Ich würde mich im Grabe umdrehen!«
VI. Hitlers innenpolitische Vorstellungen und Ziele
In einer Rede am 9. 6. 1927 sagte Hitler, das derzeitige System verwirkliche keine Volksherrschaft: »In Wirklichkeit regiert heute doch nicht das Volk, sondern das Kapital. Behaupten Sie nicht, meine lieben Genossen von links, daß Sie regieren! Wieviele Deutsche haben eine Vorstellung vom politischen Leben! Jeder weiß doch nur das, was in seiner Zeitung steht und was er liest. Die Zeitungen werden aber nicht vom Volke gemacht, sondern von der »Journailles, und ausgehalten werden sie vom Kapital.«
Wie aber wollte Hitler erreichen, daß sich in seiner Partei tatsächlich die »historische Minorität« zusammenfand? Hitlers Antwort auf diese Frage lautete: Weil das Bekenntnis zum Nationalsozialismus zur gesellschaftlichen Achtung führe, weil der Einsatz für die Ideale der Bewegung auch mit erheblichen körperlichen Gefahren (für die SA) verbunden sein konnte, würden sich automatisch nur die wirklich mutigen und tapferen Idealisten seiner Bewegung anschließen, während die Opportunisten und Feigen sie mieden.
In »Mein Kampf« betonte Hitler, jedermann, der sich der Bewegung anschließe, müsse von vornherein wissen, »daß die neue Bewegung Ehre und Ruhm vor der Nachwelt, in der Gegenwart aber nichts bieten kann. Je mehr eine Bewegung zu vergeben hat an leicht zu erringenden Posten und Stellen, um so größer wird der Zulauf an Minderwertigen sein, bis endlich diese politischen Gelegenheitsarbeiter eine erfolgreiche Partei in solcher Zahl überwuchern, daß der redliche Kämpfer von einst die alte Bewegung gar nicht mehr wiedererkennt und die neue Hinzugekommenen ihn selber als lästigen Unberufenen‹ entschieden ablehnen. Damit aber ist die »Mission‹ einer solchen Bewegung erledigt«
»Im Laufe der Jahre war die marxistische Bewegung, in der Sozialdemokratischen Partei organisiert, dem Volumen nach immer größer und umfangreicher geworden. Diese Zunahme bedeutete aber eigentlich eine innere Schwächung, denn die letzten Ziele der marxistischen Weltanschauung sind derartig radikal, daß sie nur von einer absolut fanatischen Stoßtruppe durchzufechten sind. Wenn die Sozialdemokratie ein bestimmtes Maß an Anhängern überschritt, mußte sie der Gefahr einer sogenannten Verbürgerlichung anheimfallen, mußte allmählich immer milder werden, und es konnte nicht ausbleiben, daß eines Tages dieses Millionenheer der alten Vorkriegssozialdemokratie sich mehr oder weniger mit dem bestehenden Staat abfinden würde und im Grunde genommen bei einer Reformpartei enden würde, die bestimmte wirtschaftliche Interessen für die Masse aller Angestellten verfechten würde und allmählich schon in ihrer eigentlichen Grundtendenz den radikalen Boden verließ. Das haben auch die Führer der Sozialdemokratie ganz klar erkannt. Deshalb fand bereits im fünften Monat des Krieges eine Absplitterung statt, die von einigen Führern mit außerordentlich gutem Rahmen organisiert wurde und die vom ersten Tag an derartig radikale Tendenzen einschlug, daß die Schar der auf diese Tendenzen sich Verpflichtenden von vornherein nur sehr klein sein konnte, indem die damalige Unabhängige Partei in der brutalsten Weise gegen die Kriegskredite Stellung nahm und Deutschland für schuld am Krieg erklärte. Schon infolge des äußersten Überschwangs dieser radikalen Ziele war die Größe der neuen Bewegung begrenzt, damit aber auch die Wahrscheinlichkeit gegeben, daß die Anhängerschaft nur aus den allerradikalsten, zum Äußersten entschlossenen Elementen bestehen würde. Diese Rechnung hat später absolut gestimmt.« Die USPD habe das »beste Menschenmaterial in ihren Reihen gehabt, lauter vernarrte, brutale, rücksichtslose Köpfe, die schon infolge des außerordentlich weit gesteckten fanatischen Ziels der Bewegung auch selbst nur aus den fanatischsten und entschlossensten Menschen bestehen konnten. Diese Köpfe haben später die Revolution ermöglicht«
»Hauptaufgabe dieser NSDAP-Ordensschulen, später die Mutproben auf dauernd einzuführen, das heißt, zu brechen mit jener Meinung: tapfer habe nur der Soldat zu sein. Wer politischer Führer ist, ist stets Soldat. Und wer nicht tapfer ist, kann das nicht sein. Er muß bereit sein, jederzeit sich einzusetzen. In der früheren Zeit, da mußte der Mut von vornherein schon die Voraussetzung sein, um den Weg zur Partei zu finden. Er war es auch. Heute müssen wir nun künstliche Hindernisse einbauen, künstliche Sprunggräben, über die einer nun drüber muß. Denn wenn er nicht tapfer ist, taugt er für uns nicht. Wenn mir einer nun sagt, ja, aber es kommen nun auch andere, die Nur-Genies … Die Genies allein sind im politischen Leben gänzlich wertlos dann, wenn sie nicht Charakter besitzen. Beim politischen Führer ist der Charakter wichtiger als die sogenannte Genialität. Tapferkeit ist wichtiger als Weisheit oder Einsicht. Das Entscheidende ist, daß wir eine Organisation von Männern aufbauen, die beharrlich, zäh, aber auch – wenn notwendig – rücksichtslos die Interessen der Nation wahrnehmen«
In seinen Bormann-Diktaten erklärte Hitler am 14.2. 1945, der Krieg sei »im Hinblick auf unsere moralische Rüstung… viel zu früh (gekommen). Es ist mir keine Zeit geblieben, die Menschen für meine Politik heranzubilden. Ich hätte zwanzig Jahre dazu gebraucht, eine neue nationalsozialistische Auslese heranreifen zu lassen, eine Auslese junger, von Kindesbeinen an in unsere Lehre hineingewachsener Menschen… In Ermangelung der Elite, wie sie uns vorschwebte, mußten wir uns mit dem vorhandenen Menschenmaterial begnügen. Das Ergebnis sieht danach aus! Dadurch, daß die geistige Konzeption mit der praktischen möglichen Verwirklichung nicht übereinstimmte, wurde aus der Kriegspolitik eines revolutionären Staates, wie das Dritte Reich, notwendigerweise eine Politik reaktionärer Spießbürger.«
»Das ideale Rezept wäre für mich gewesen«, so Hitler am 25.2. 1945, »zuerst den Fortbestand des deutschen Volkes zu sichern, eine nationalsozialistische Jugend heranzuzüchten – und dann den kommenden Geschlechtern die Führung des unvermeidlichen Krieges zu überlassen, sofern nicht die dann im deutschen Volk verkörperte Macht seine Feinde davon abschreckte. Dann war Deutschland moralisch und materiell gerüstet, ausgestattet mit einem Korps von Beamten, Diplomaten, mit einem Generalstab aus Männern, die den nationalsozialistischen Geist mit der Muttermilch eingesogen hatten und nach diesen Grundsätzen geformt waren. Das Werk, das ich mir vorgenommen habe, um dem deutschen Volk den Platz an der Sonne zu erobern, ist zuviel für einen einzelnen Mann, zu gewaltig umfassend für eine Generation!«
Dabei gibt es nach Hitlers Ansicht beispielsweise solche Rassenelemente, die eher musikalisch, solche, die eher technisch-wissenschaftlich, solche, die eher politisch usw. veranlagt bzw. befähigt sind. Es ist dies zwar ein recht merkwürdiger, im Grunde kein biologischer Rassebegriff mehr, aber wir müssen ihn zunächst so akzeptieren, um die innere Logik der weiteren Argumentation Hitlers überhaupt begreifen zu können.
Hitler lehnte es ab, die politische (oder auch andere) Elite(n) nach äußeren »rassischen« Merkmalen auszusuchen. Bestimmend sei vielmehr die spezifische Fähigkeit eines Menschen. Erweise sich ein Mensch z. B. – durch das Bekenntnis zur radikal revolutionären Partei – als tapfer und mutig, so beweise dies, daß er jenem Rassebestandteil des deutschen Volkes zuzuordnen sei, der politisch befähigt und damit zur politischen Herrschaft auserwählt sei.
»Es gab hier nur eine Möglichkeit: Man konnte nicht von der Rasse auf die Befähigung schließen, sondern man mußte von der Befähigung den Schluß auf die rassische Eignung ziehen. Die Befähigung aber war feststellbar durch die Art der Reaktion der einzelnen Menschen auf eine neu zu proklamierende Idee. Dies ist die unfehlbare Methode, die Menschen zu suchen, die man finden will. Denn jeder hört nur auf den Klang, auf den sein Innerstes abgestimmt ist.«
Das deutsche Volk würde durch die Aufführung der Rassenprobleme nur noch weiter zerspalten, gegeneinadergehetzt, atomisiert und damit außenpolitisch bedeutungslos gemacht. Ich habe es deshalb schon mehrfach verboten, und ich werde bei der nächsten Gauleitertagung erneut mit aller Schärfe verbieten, daß über Rassenlehre und Rassenprobleme überhaupt gesprochen und geschrieben wird. Genau das Gegenteil müssen wir tun! Volksgemeinschaft, Volksgemein-schaft, muß unser Kampfruf sein! Alles, was die Schichten einigt und verbindet, muß hervorgeholt, gepflegt und gefördert werden, und alles, was sie trennt, was die alten Voreingenommenheiten wieder wach werden läßt, muß vermieden, bekämpft, beseitigt werden…
In seinen »Monologen« meinte er am 27.1.1942: »Der Rassenkrieg braucht nicht auszubrechen, wenn die Menschen nicht nach dem Äußeren, sondern nach ihrer Bewährung ausgesucht werden. Aussehen und Veranlagung laufen oft getrennt. Man kann die Auslese nach dem Äußeren und man kann sie – wie es die Partei gemacht, hat – nach der Lebensbewährung treffen.«
Goebbels selbst, dessen Äußeres ja auch wohl kaum den Kriterien der SS entsprochen hätte, wandte sich vehement gegen den »Unfug des Rasse-Materialismus, der nicht auf Haltung und Gesinnung, sondern auf Wasserstoff-Blond schaut«
Ganz anders liest sich Goebbels’ Kommentierung des 98,8 % Ergebnisses jener Abstimmung, die Hitler am 29. März 1936 nach dem Einmarsch in die entmilitarisierte Rheinlandzone durchführen ließ: »Mittags (beim) Führer. Wir sind alle gespannt… Die ersten Resultate. Kaum glaubhaft. Immer wieder. Ich gehe ins Ministerium. Die Tendenz hält an. Ich warte noch mit Publikation… Triumph über Triumph. Und nun hageln die Siegesbotschaften. Unaufhörlich… Das Volk ist aufgestanden. Der Führer hat die Nation geeinigt. So hatten wir das in unseren kühnsten Träumen nicht erhofft. Wir sind alle wie benommen. Der Führer ist ganz still und schweigsam. Er legt mir nur die Hände auf die Schultern. Seine Augen sind ganz naß… Er ist namenlos glücklich.« Die Stimmungsberichte des SD und anderer Stellen deuten darauf hin, daß die Ergebnisse der Volksabstimmungen tatsächlich die Stimmung in der Bevölkerung widerspiegelten. Man macht es sich sicherlich zu leicht, wenn man sie vorwiegend als Resultat von Wahlfälschungen und Manipulationen bewertet.
VII. Hitlers Selbsteinschätzung im politischen Spektrum
»Ja, noch schlimmer, es war Hitler, der jene Transformation der deutschen Gesellschaft bewirkte, die auch die Verfassung der Freiheit erst möglich macht, während der Widerstand gegen sein Regime im Namen einer Gesellschaft antrat, die nur autoritärer Herrschaft die Basis liefern konnte.« Der 20. Juli 1944 und die durch seinen Fehlschlag ausgelösten Verfolgungen bedeuteten, so Dahrendorf, »das Ende einer politischen Elite«
»Die politische Arbeit unserer beiden Gruppen links oder rechts ist für das deutsche Volk in der Gesamtheit solange bedeutungslos, solange diese Arbeit nur eine Gruppenarbeit umfaßt, und solange sie nicht eine Arbeit wird zur Überwindung dieser Gruppen.«
Als er sich am 30. 11. 1941 in seinen »Monologen« an die Kampfzeit erinnerte, sagte er: »Meine damalige Partei war doch zu neunzig Prozent aus Links-Leuten zusammengesetzt. Ich habe nur Leute brauchen können, die geprügelt haben.«
»Die Definitionen der beiden Begriffe«, so Hitler am 26. 5. 1944, »standen damals in einem diametralen Gegensatz. Der eine war damals rechts der Barrikade und der andere links, und ich bin mitten zwischen diese beiden Kämpfer hinein, also auf die Barrikade selbst gestiegen und daher von beiden selbstverständlich angeschossen worden; ich habe versucht, einen neuen Begriff zu definieren unter dem Motto, daß letzten Endes Nationalismus und Sozialismus unter einer Voraussetzung dasselbe sind, nämlich daß man das Volk in den Mittelpunkt alles Erstrebenswerten rückt… Ich habe damals sowohl von links als auch von rechts schwere Kämpfe gehabt«.
Hitler ordnete sich – seinem Selbstverständnis nach – weder der Linken noch der Rechten zu, er erstrebte vielmehr eine Synthese, eine Überwindung beider Extreme. Wesentlich erscheint es uns, Hitlers Versuch einer Synthese von Nationalismus und Sozialismus, denn nichts anderes sollte der Nationalsozialismus sein, nachzuvollziehen, um auf diesem Wege seinem politischen Selbstverständnis näherzukommen.
»Die Sozialdemokratische Partei war«, so Hitler am 27. 4. 1923, »die bestorganisierte Bewegung nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt. Sie war auch die disziplinierteste Partei Europas«.
In einem Tischgespräch am 28./29. 12.1941 lobte Hitler wieder einmal die Sozialdemokratie dafür, daß sie »dieses Geschmeiß (d. h. die Monarchie - R. Z.) beseitigt habe«, und erklärte, er habe jedem, der nicht ein »gemeiner Feind« war (»dann ins KZ mit ihm«) geholfen, z.B. indem er Noske und anderen die Pension erhöht habe, als er von Italien zurückkam: »Aber nie konnte ich erlauben, daß die Männer für mich eine politische Erklärung abgeben, wozu sich Severing zum Beispiel oftmals anbot. Es hätte so ausgesehen, als hätte ich mir das erkauft! Von einem weiß ich, daß er sagte: Mehr, als wir uns je vorgestellt haben, ist erreicht worden!«
In einem Tischgespräch am 2.8.1941 bemerkte Hitler, er werfe es »keinem von den kleinen Leuten vor, daß er Kommunist war; vorzuwerfen habe ich es nur einem Intellektualisten: Er wußte, daß die Not ihm Mittel zu einem Zweck war«
In der Tat wissen wir, daß es schon in der »Kampfzeit« erhebliche Fluktuationen zwischen SA und Rot-frontkämpferbund gegeben hat. Daß nach der Machtergreifung viele Kommunisten zu überzeugten Anhängern des Nationalsozialismus wurden, ist nicht verwunderlich. Die KPD hatte immer argumentiert, Hitler werde nie die Arbeitslosigkeit beseitigen, und vor allem, er sei ein Vasall Frankreichs, ein anti-nationaler Verräter an dem Ideal des Anschlusses Österreichs usw., er werde nie den Versailler Vertrag revidieren. Da aber das Gegenteil all dessen eintrat und die Nationalsozialisten zudem noch eine in manchem fortschrittliche Sozialpolitik betrieben, die z. T. sogar Forderungen erfüllte, die in der Weimarer Republik keine Chance auf Realisierung hatten, ist es nur logisch, daß sich viele Kommunisten dem Nationalsozialismus zuwandten, der so vieles von dem erfüllte, was die KPD gefordert hatte, und in seiner anti-bürgerlichen Stoßrichtung mit dieser übereinstimmte.
In dem Prozeß wegen seines Putschversuchs vom November 1923 erklärte Hitler am 26.2.1924 (erster Verhandlungstag), der Marxismus habe »mit zwei ungeheuren Instrumenten gearbeitet: Auf der einen Seite, mit einer ungeheuren Massenpropaganda, mit einer Massenbeeinflussung … Das zweite Instrument dieser Bewegung ist ein unerhörter Terror. Keine Bewegung hat mit so gründlicher Kenntnis die Züge der Massen bearbeitet wie die marxistische Bewegung. Sie weiß, daß die Masse Respekt besitzt vor der Kraft und Entschlossenheit, und sie hat an die Stelle der Schwäche der Bürgerlichen und ihrer Unentschlossenheit die brutale Macht und den brutalen Willen gesetzt, hat rücksichtslos den einzelnen niedergezwungen und die Arbeiter vor die Alternative gestellt: Entweder du willst mein Bruder sein, oder ich schlage dir den Schädel ein. Ich habe diese Bewegung kennengelernt in meiner Jugend in diesen beiden Auswirkungen. Die bürgerlichen Parteien kennen sie nicht oder wollten sie nicht kennen«
»Aber diese Bewegung hat von ihren Gegnern gelernt, sie hat sich zwei Instrumente geschaffen, sie hat erkannt, was notwendig ist: Die ungeheuerste Massenaufklärung und die nationale Aufklärung. Die Psyche des Volkes ist so beschaffen, daß in erster Linie Respekt vor der Kraft vorhanden ist… Für den, der willens ist, mit geistigen Waffen zu kämpfen, haben wir den Kampf mit dem Geist und für den, der willens ist, mit der Faust zu kämpfen, haben wir die Faust. Die Bewegung hat zwei Instrumente, die Propagandamaschine und daneben die SA.«
»Was unser Bürgertum immer mit Kopfschütteln betrachtete, die Tatsache, daß dem Marxismus nur die sogenannten ungebildeten Massen angehörten, war in Wahrheit die Voraussetzung für den Erfolg desselben.« Seine Auffassung von der Überlegenheit des gesprochenen Wortes, der Rede, gegenüber dem geschriebenen Wort, d. h. der Propaganda in Flugblättern und der wissenschaftlichen Abhandlungen in Büchern, begründete Hitler ebenfalls mit einem Verweis auf den Marxismus: »Was dem Marxismus die staunenswerte Macht über die breiten Massen gegeben hat, ist keineswegs das formale, schriftlich niedergelegte Werk jüdischer Gedankenarbeit, als vielmehr die ungeheuerliche rednerische Propagandawelle, die im Verlauf der Jahre sich der breiten Masse bemächtigte… Was dem Marxismus die Millionen von Arbeitern gewonnen hat, das ist weniger die Schreibart marxistischer Kirchenväter als vielmehr die unermüdliche und wahrhaft gewaltige Propagandaarbeit von Zehntausenden unermüdlicher Agitatoren, angefangen vom großen Hetzapostel bis herunter zum kleinen Gewerkschaftsbeamten und zum Vertrauensmann und Diskussionsredner; das sind die Hunderttausende von Versammlungen, bei denen, in qualmiger Wirtsstube auf dem Tische stehend, diese Volksredner auf die Massen einhämmerten und so eine fabelhafte Kenntnis dieses Menschenmaterials zu gewinnen wußten, was sie erst recht in die Lage versetzte, die richtigsten Angriffswaffen auf die Burg der öffentlichen Meinung zu wählen. Und das waren weiter die gigantischen Massendemonstrationen, diese Hunderttausend-Mann-Aufzüge, die dem kleinen, armseligen Menschen die stolze Überzeugung einbrannten, als kleiner Wurm dennoch Glied eines großen Drachens zu sein, unter dessen glühendem Atem die verhaßte bürgerliche Welt dereinst in Feuer und Flammen aufgehen und die proletarische Diktatur den letzten Endsieg feiern werde.« Wir haben bereits in dem Kapitel über Hitlers Stellung zum Bürgertum gesehen, daß Hitler sich über die schwächliche bürgerliche Versammlungsregie lustig machte. Hitler bewunderte im Gegensatz dazu die »von jeher blinde Disziplin« in den marxistischen Versammlungen, »so daß der Gedanke der Sprengung einer marxistischen Versammlung wenigstens von bürgerlicher Seite gar nicht kommen konnte«, »Wir haben hier aus dem Studium marxistischer und bürgerlicher Versammlungstechnik zu lernen versucht und haben auch gelernt«.
Von daher ist es nur folgerichtig, daß Hitler weiterhin vom »jüdischen Bolschewismus« sprach, obwohl er selbst diese Ansicht längst nicht mehr teilte. Während Hitler selbst durchaus in der Lage war, die Dinge differenziert zu sehen, traute er der Masse dies nicht zu: »Es gibt hierbei«, so entwickelte Hitler seinen wichtigsten Propagandagrundsatz in »Mein Kampf«, »nicht viel Differenzierungen, sondern ein Positiv oder ein Negativ, Liebe oder Haß, Recht oder Unrecht, Wahrheit oder Lüge, niemals aber halb so und halb so oder teilweise usw.«
»In der Tat hatten in Italien die alten Kräfte – König, Generäle und Kirche – weiterhin einen maßgeblichen Einfluß, so daß man von Italien kaum als totalitärem Regime sprechen kann. »Der Duce hat Schwierigkeiten deshalb«, so Hitler, »weil seine Wehrmacht royalistisch denkt, weil in Rom die vatikanische Internationale ihren Sitz hat und weil der Staat im Gegensatz zum Volk nur zur Hälfte faschistisch eingestellt ist«
Als er im Februar 1945 die Ursachen seines Scheiterns analysierte, gab er zu, daß das Bündnis mit Italien einer seiner schwerwiegendsten Fehler war. So habe die Allianz mit Italien ein Zusammengehen Deutschlands mit den islamischen Befreiungsbewegungen verhindert: »Der italienische Verbündete war uns rundheraus gesagt überall im Wege. Seinetwegen konnten wir in Nordafrika keine von Grund auf neue Politik betreiben. Es lag unter den gegebenen Umständen auf der Hand, daß Italien diesen Raum für sich beanspruchte, und der Duce machte diesen Anspruch auch immer geltend. Allein hätten wir die Möglichkeit gehabt, die von Frankreich beherrschten islamischen Völker zu befreien. Ein solcher Aufstand mußte unabsehbare Auswirkungen in Ägypten und dem von den Engländern unterworfenen Nahen Osten haben. Dadurch, daß wir unser Schicksal mit dem der Italiener verknüpften, war eine solche Politik undenkbar. Dabei bebte die islamische Welt in Erwartung unserer Siege. Die Völker Àgyptens, des Irak und des ganzen Nahen Ostens waren bereit zum Aufstand. Wir hätten alles tun müssen, ihnen zu helfen, um ihren Mut zu stärken, wie es unser Vorteil und unsere Pflicht verlangten. Daß wir mit den Italienern verbündet waren, lähmte uns und verursachte überdies bei unseren mohammedanischen Freunden ein Mißbehagen, weil wir in ihren Augen, gewollt oder nicht gewollt, Komplizen ihrer Unterdrücker waren…
Im Februar 1945 bemerkte Hitler selbstkritisch, es sei ein Fehler gewesen, sich mit einem Regime zu verbinden, »das weniger als je meine Sympathie genießt, einem Regime plutokratischer Ausbeuter am Gängelband der Pfaffen!« Es sei ein unverzeihlicher Fehler Francos, daß er es nach Beendigung des Bürgerkrieges nicht verstanden habe, das spanische Volk auszusöhnen, »daß er die Falangisten, denen Spanien ja die von uns geleistete Hilfe verdankt, kaltstellte und daß er ehemalige Gegner, welche durchaus nicht alle echte Rote waren, wie Banditen behandelt hat. Es ist keine Lösung, die Hälfte eines Landes außer Recht und Gesetz zu stellen, während eine Minderheit von Ausbeutern sich zum Schaden aller bereichert – mit dem Segen der Pfaffen. Ich bin sicher, daß es unter den sogenannten Roten in Spanien sehr wenige Kommunisten gab. Man hat uns getäuscht, denn niemals hätte ich mich in Kenntnis des wahren Sachverhaltes damit einverstanden erklärt, daß unsere Flugzeuge dazu dienten, Hungernde zu vernichten und die spanischen Adeligen und Schwarzröcke wieder in ihre mittelalterlichen Vorrechte einzusetzen«
VIII. Schlußbetrachtungen
Hitlers Ziel einer Erhöhung der sozialen Mobilität, einer Verbesserung der Aufstiegschancen für Angehörige sozial unterprivilegierter Schichten, wurde sicherlich ansatzweise realisiert. »Es ist lange übersehen worden, daß sich der soziale Aufstieg im Dritten Reich nicht nur symbolisch vollzog. Grunberger berichtete, daß die Gesamtaufstiegsmobilität während der sechs Friedensjahre des NS-Regimes doppelt so groß gewesen sei wie während der letzten sechs Jahre der Weimarer Republik; die staatlich-bürokratischen Organisationen und privatwirtschaftlichen Verbände hatten eine Million Menschen, die aus der Arbeiterschaft kamen, absorbiert.«